Die perfekte Mutter. Nicht.

Vier Kinder und nur eine Mutter. Eine, die alles perfekt machen sollte. Für jedes einzelne dieser vier Kinder. Janine würde das ja gerne, schafft das aber schlichtweg nicht. Ein Text über zu viele Bedürfnisse und zu unperfektes Muttersein.

Mein Hirn explodiert regelmässig beim Gedanken, dass wir vier Kinder haben. Und dabei, dass jedes so einzigartig anders ist.

Grandios, was alles aus der Mischung meines Mannes und mir entstehen kann. In gewissen Bereichen auch gefährlich, wenn man da zum Beispiel an die kumulierte Schlagfertigkeit denkt. Oder die Kombinationsmöglichkeiten vom sturen Bündner Grind und meiner Züri Schnurre.

Viermal dieselbe Gen-Basis und doch viermal komplett verschieden gemischt.

Klar, da gibt es auch die Dinge, die sie gemeinsam haben. Ihren Dialekt zum Beispiel. Woher der kommt, bleibt allerdings ein Rätsel. Von meinem Mann und mir jedenfalls nicht. Wenn man unsere Kinder zudem in eine Reihe stellt, dann sieht man sofort, dass sie Geschwister sind. Aber damit hören die Gemeinsamkeiten dann auch ziemlich schnell wieder auf.

Das eine Kind ist künstlerisch begabt (was es allerdings nicht von uns hat). Das andere sportlich. Eines kann sich in Comics verlieren. Eines möchte am Wochenende konstant etwas unternehmen. Das andere schätzt die Ruhe zuhause. Eines möchte Dauerkuscheln. Das andere bleibt auf Corona-Abstand. Eines schaut sich akribisch genau im Spiegel an und geht erst aus dem Haus, wenn jede Haarsträhne sitzt. Ein anderes würde ohne mein Augenmerk zwei Wochen mit denselben Socken rumlaufen. Unter anderem.

So verschieden ihre Interessen und Charaktere, so verschieden sind folglich ihre Bedürfnisse.

Um die alle abzudecken, bräuchte jedes meiner Kinder eine andere Mutter.
Und doch haben sie alle nur mich.

Und nein, ich schaffe es nicht, für jedes meiner Kinder zu jedem Zeitpunkt die Mutter zu sein, die es gerade bräuchte. Das würde ich wohl nicht mal bei einem Kind vollbringen können.

Ich enttäusche meine Kinder. Und zwar R-E-G-E-L-M-Ä-S-S-I-G.
In den Worten meiner Kids ausgedrückt: Ich verkacke unheimlich oft.
Es kann vorkommen, dass ich mich phasenweise einem Kind näher fühle, weil uns ähnliche Dinge beschäftigen. Ja, es kommt sogar vor, dass mich ein Kind schneller nervt als das andere. Dass ich einem nicht so zuhöre, wie es das grad bräuchte, weil ich gerade etwas anderes im Kopf habe.

Das will ich eigentlich nicht. Das enttäuscht auch mich. Ist aber eine Tatsache. Mit der wir alle zurechtkommen müssen.

Ich will das Beste für meine Kinder. Unglaublich fest. Aber ich kann es ihnen trotzdem nicht immer geben. Weil ich schlicht nicht zu jeder Zeit das Beste bin.

Weil ich meine Launen habe und meine Schwächen. Und das nicht nur dann, wenn Tante Rosa zu Besuch ist.

Das ist zwar nicht besonders toll, aber ich glaube, es ist ok.
Denn es ist authentisch. Und ehrlich.

Meine Kinder werden mit gewissen Mängeln aus meiner Erziehung entlassen werden. Mängel, mit denen sie als Erwachsene wahrscheinlich hadern werden. So wie auch wir alle mit gewissen Dingen hadern.

Dies anzuerkennen ist ebenso erschreckend wie auch befreiend.

Befreiend deshalb, weil ich weiss:

In meiner Schwäche gebe ich ihnen hoffentlich gleichzeitig auch eine Ressource mit: Das Wissen, dass es okay ist, wenn etwas nicht perfekt ist. Dass auch gut genügt, um glücklich zu sein. Dass jeder Mensch beides mitbringt: Stärken und Schwächen. Und man beide ins Leben integrieren darf. Dass die Menschen, die man uneingeschränkt liebt, auch mit Schwächen liebenswert bleiben. Man sich nicht zuerst verändern muss, um angenommen zu sein. Dass jeden Tag ein Neuanfang möglich ist. Dass Leben teilen heisst, in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da zu sein. Dass man nichts vorspielen muss, sondern auch mal sagen darf: Sorry, da habe ich falsch reagiert. Da habe ich dir nicht zugehört, obwohl du mich gebraucht hättest. Da war ich leider gerade mehr bei mir als bei dir. Ich versuche es, beim nächsten Mal besser zu machen.

Ich glaube, da gebe ich ihnen in meiner Schwäche auch sehr viel Wertvolles mit für ihren Lebensrucksack. Ein Schweizer Sackmesser sozusagen. Mit dem sie Tools haben, vieles im Leben bewältigen zu können.

Was mich entlastet, ist das Wissen, dass ich nicht allein perfekt sein muss.

Es gibt so viele andere Menschen, die einen Einfluss haben (dürfen) auf meine Kinder. Da ist ein Papa. Der vieles mitbringt, was ich nicht geben kann. Die Kindergärtnerin. Die Oma. Geschwister. Freunde. Die Leiterin beim Tanzen. Das Mami vom Gspändli. Sie alle füllen etwas aus, was ich nicht habe oder wofür ich die Falsche bin. Meine Kinder dürfen – nein, sollen – noch andere Vorbilder haben. Die gewisse Dinge halt tatsächlich besser machen als ich.

Ich tendiere stark dazu, mir Sorgen zu machen, ob ich als Mutter genüge. Ob ich meinen Kindern auch sicher das gebe, was sie von mir benötigen. Hinterfrage mich, ob ich mit meinen Mängeln ihren Lebensrucksack zu fest belade. Die Antwort ist simpel: In gewissen Dingen bin ich eine super tolle Mutter. In anderen: Not so much.

Was ich auf jeden Fall bin, ist eine Mutter, die liebt.
Jeden Tag neu. Von vorne.

 

 

Bild: Kelly Sikkema

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