Starke Eltern: Wie reden wir in der Familie miteinander?

Familie ist der Ort, an dem meist kein Blatt vor den Mund genommen wird. Die Kommunikation ist zuweilen sehr direkt. Und wenn sie nicht funktioniert, sprechen schnell mal Frust und -bei Kindern häufig zu beobachten – die Faust. Die Frage steht im Raum: Wie reden wir in der Familie miteinander so, dass wir uns verstehen und verstanden fühlen? Dass wir gewaltfrei miteinander umgehen und Lösungen finden. Unser Partner Kinderschutz Schweiz hat einige Ideen aufgelistet, die das Gespräch mit euren Kindern erleichtern können.

Wertschätzendes Kommunizieren in der Familie ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu einer gewaltfreien Erziehung. Die Ideen, die wir hier aufzeigen, kennen wahrscheinlich einige aus dem Arbeitskontext. Sie lassen sich auch auf das Miteinander-Reden und Einander-Zuhören in der Familie (mit den Kindern, aber auch mit der Partnerin oder dem Partner) übertragen.

Wie drücke ich mich aus?

Besser miteinander kommunizieren: Ich-Botschaften

Ich-Botschaften helfen dabei, sich in herausfordernden Situationen ehrlich auszudrücken, ohne Vorwürfe zu machen. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass ich Verständnis wecke und gehört werde. Ich-Botschaften können so zu einer offenen Atmosphäre in der Familie beitragen, die das gegenseitige Vertrauen stärkt.

Eine Ich-Botschaft löst beim Kind meistens weniger Widerstand aus als ein Verbot oder ein Befehl.

Das ist bei Erwachsenen im Übrigen nicht anders. Mit der Ich-Botschaft zeige ich, dass ich ein Mensch mit Empfindungen, Bedürfnissen und Grenzen bin. Dadurch, dass ich nur von mir spreche, werden Schuldgefühle beim anderen vermieden und er wird stattdessen einbezogen. Mein Gegenüber erhält so die Möglichkeit, die Situation selber zu ändern und mir damit etwas ‚Gutes‘ zu tun.

Die Ich-Botschaft ist eine Alternative zu allgemeingültig klingenden Sätzen mit «man». Z.B. «Das macht man einfach nicht.»
Du-Botschaften sind meistens entweder vorwurfsvoll oder werten die andere Person und ihr Verhalten ab, wie z.B. «Du bist eine Nervensäge.»

Ein Beispiel für eine Ich-Botschaft

Du-Botschaft: «Ihr seid so rücksichtslos, könnt ihr eigentlich nicht leiser reden?»

Man-Botschaft: «Bei eurem Krach kann man ja sein eigenes Wort nicht mehr verstehen!»

Ich-Botschaft: «Euer Gespräch ist so laut, ich höre nichts am Telefon (und das ärgert mich.)»

Besser miteinander kommunizieren: Bitten oder mitteilen

Zusätzlich zu einer Ich-Botschaft hilft, wenn ich noch eine Bitte anhänge oder sage, weshalb mir etwas wichtig ist. Damit wird meinem Gegenüber noch klarer, wie sie oder er die Situation ändern und mir etwas ‚Gutes’ tun kann. So gesehen hat eine Ich-Botschaft vier Teile:

1. Was ist passiert? (Meine Wahrnehmung ohne Bewertung)
«Ich telefoniere und ihr sprecht gleichzeitig.»

2. Welche Wirkung hat es auf mich?
«Ich höre nichts.»

3. Wie fühle ich mich deswegen?
«Das macht mich ärgerlich.»

Diese drei Teile müssen natürlich nicht genau in dieser Reihenfolge ausgesprochen werden. Sie sind als Orientierungshilfe gedacht, nicht als sture Regel. Oft reichen die ersten Teile (1+2) aus.

4. Was ist mir wichtig? Welches konkrete Verhalten wünsche ich mir von dir?
«Ich bitte euch, das Gespräch in der Küche fortzusetzen.» oder
«Mir ist wichtig, dass ich alles mitbekomme. Könnt ihr leiser sprechen?»

Wichtig ist, dass die Bitte erstens sehr konkret und zweitens wirklich so gemeint ist (keine versteckten Befehle).

Wann eine Bitte keinen Sinn macht

Um etwas bitten macht in Situationen keinen Sinn, in denen mein Gegenüber oder eine andere Person in unmittelbarer Gefahr schwebt. In diesen Situationen braucht es klare Ansagen («Du darfst nicht bei Rot über die Strasse gehen!») oder auch mal ein Verbot («Ich verbiete dir, deinen kleinen Bruder zu schlagen.»).

Wenn sich die Bitte nicht erfüllt

Wenn ich mich mit einer Ich-Botschaft ausdrücke, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass mein Gegenüber mit «Ja» oder «Okay» antwortet. Da die Bitte jedoch kein Befehl ist, hat mein Gegenüber auch das Recht, nicht darauf einzugehen. Und das kann frustrierend sein.

Es ist in solchen Momenten hilfreich, dieses «Nein» nicht persönlich zu nehmen: Mit dem «Nein» drückt mein Gegenüber vielmehr aus, dass ihm selber etwas gerade sehr wichtig ist; und meine Bitte ihn daran hindern würde.

Ich kann in diesem Moment oder, wenn ich zu aufgewühlt bin, später in einem ruhigen Moment – neugierig, nicht vorwurfsvoll – nachfragen, was denn so wichtig war, dass die Person meiner Bitte nicht nachkommen konnte. Ich kann zuhören.

Und dann können wir uns gemeinsam auf Lösungssuche machen.

«Das grösste Kommunikationsproblem ist, dass wir nicht zuhören, um zu verstehen. Wir hören zu, um zu antworten.»

Besser miteinander kommunizieren: Einfühlsames Zuhören

In schwierigen Momenten haben nicht nur Kinder, sondern alle Menschen zuallererst den Wunsch danach, dass jemand für sie da ist und die Lage wahrnimmt (Mitgefühl). Ziel des einfühlsamen Zuhörens ist, die Gefühle und Beweggründe des Gegenübers (Kind, Partnerin, Partner usw.) zu verstehen. Oft fällt uns das schwer. Statt wirklich zuzuhören und den anderen ausreden zu lassen, sind wir mit unseren Gedanken nicht ganz bei der Sache, beschwichtigen, trösten, geben Ratschläge, erzählen von uns selber, usw.

Beim einfühlsamen Zuhören geht es nur um eines: Zuhören. Und dazu gehört viel Schweigen.

Das Gegenüber erzählen lassen und auch Stille und Lücken zulassen. Mit einfachen kleinen Worten kann ich dem Gegenüber zeigen, dass ich aktiv zuhöre: «Aha», «Hm», «Erzähl weiter», «Und dann?»

Um den anderen noch besser zu verstehen, frage ich als Zuhörende/-r nach, wenn mir etwas noch nicht klar ist und fasse zusammen, was ich gehört habe. Ohne ungefragt Lösungen zu präsentieren.

Wichtig ist die innere Haltung – nicht eine bestimmte Technik.

Was gehört zu der Haltung des einfühlsamen Zuhörens?

Zur Haltung beim einfühlsamen Zuhören gehören:

  • Aufrichtigkeit: «Mich interessiert, wie du dich fühlst und ich möchte dich verstehen.»
  • Akzeptanz: «Du bist in Ordnung mit deinen Problemen und Gefühlen. Ich halte deine Gefühle aus und akzeptiere, dass sie sich von meinen Gefühlen unterscheiden.»
  • Vertrauen: «Ich vertraue darauf, dass du altersgemäss mit deinen eigenen Problemen umgehen kannst.»
  • Präsenz: «Ich konzentriere mich auf das Hier und Jetzt und gebe mir Mühe, in Gedanken nicht schon einen Schritt weiter zu sein, an einer Antwort oder an einer eigenen, ähnlichen Situation herumzuhirnen.
  • Zeit: «Ich nehme mir Zeit für dich.» Wenn ich gerade keine Zeit habe, sage ich dir das und schlage einen späteren Zeitpunkt vor.

Einfühlsames Zuhören vermeidet Interpretationen, Missverständnisse und/oder Blossstellungen.
Und einfühlsames Zuhören unterstützt mein Gegenüber, sich auszudrücken, selbst zu denken und eine Lösung für das Problem zu finden.

Starke Eltern – Starke Kinder®

Basis für diesen Text ist unsere Zusammenarbeit mit Kinderschutz Schweiz und dem Elternkurs Starke Eltern – Starke Kinder®, der auf der anleitenden Erziehung beruht. Gemeinsam publizieren wir praktische, hilfreiche Blogartikel rund ums Erziehen. Dabei fokussieren wir nicht auf Tipps, wie ihr das Verhalten von Kindern beeinflussen könnt. Sondern darauf, dass ihr als Eltern gestärkt und ermutigt werdet.

Eine liebevolle und aufmerksame Haltung gegenüber den Kindern steht im Vordergrund, ebenso das Vermitteln von Werten, Regeln und Normen. Die Eltern werden darin bestärkt, ihre Verantwortung als Erziehende wahrzunehmen, indem sie ihre Kinder respektvoll und liebevoll anleiten und begleiten. Dabei achten sie stets die Rechte, die Bedürfnisse und die Persönlichkeit der Kinder.

Starke Eltern – Starke Kinder® ist ein Elternkurs, entwickelt vom Deutschen Kinderschutzbund. Aktuell finden die Kurse online statt.

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Bild: Designecologist Unsplash

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