Kinder am Tisch. Damit ist eigentlich alles gesagt. Denn während die Kinder am Tisch sitzen – zuweilen auch stehen, obendrauf sitzen oder unten drunter. Während sie also Nahrung konsumieren und man als Eltern bemüht ist, ihnen die Basics der Tischmanieren beizubringen. Verteilen sie ihr Essen. Meist unbeabsichtigt.
Ich finde Essen unter dem Tisch, am Tisch, unter dem Tischblatt klebend, an ihren Hochstühlen, in ihren Haaren. Leider zuweilen auch an meinen Socken. Schon mal versucht, so ein durchgekochtes Reiskorn aus dem Baumwollstoff der Socken zu pulen? Ganz zu schweigen von den Essmäntelchen, auf denen man zuweilen mehr Essen findet, als im Teller selbst.
Ich gebe mein Bestes. Wirklich. Eigentlich bin ich eine dieser Mütter, die nichts duldet ausser sittsam sitzende Kinder mit angewinkelten Ellbogen, rechts das Messer, links die Gabel, Mund zu beim Kauen und leer beim Sprechen.
Hahaha.
Dachte ich.
In your face.
Denn meine Kinder haben mich gelehrt: Ich bin eine Mutter, die das angewinkelte Knie an der Tischkante gerne ignoriert. Ich bin eine Mutter, die übersieht, dass das Kind schon wieder mit den Fingern anstatt mit der Gabel isst. Und ich bin eine Mutter, die sich lieber einen Bissen in den Mund schiebt, anstatt mit demselben Mund über fehlende Tischmanieren zu schimpfen.
Denn ich weiss: Wenn ich die Zeit nicht zum Essen nutze, wird sie mir fehlen, sobald die Kinder aufgegessen haben. Das mit dem «Darf ich vom Tisch?» «Tuesch no schnäll paar Minute warte» – meistens handelt es sich bei den Minuten um Sekunden. Nämlich die paar Sekunden, in denen ich mich dem Baby zuwende, um zu verhindern, dass sich dessen Rüeblibrei von Mund über Hände zu Sitzli zu Kleider zu Universum verteilt.
Den Tisch mit zwei Kleinkindern und einem Baby zu teilen lehrte mich nicht nur Dinge über mich selbst, von deren Existenz ich in meinem kinderlosen Dasein nicht geahnt hätte. Ich lernte auch, dass Familie bedeutet, Chaos nicht nur zuzulassen, sondern zu umarmen.
Böden lassen sich schrubben und die allermeisten Flecken auf Kleidern mit Sonnenlicht entfernen. Was sich jedoch nie entfernen lassen wird, ist die Bindung, die unsere gemeinsamen Essen schaffen. Wir reden, wir streiten, wir lachen zusammen. Und die schönen Seiten unserer Essenszeiten will ich manchmal einfach nur geniessen.
Das können dann auch unperfekte Tischmanieren oder Reiskörner in Socken nicht verhindern.
Diesen Text haben wir extra für das digitale Food-Magazin für Eltern «Kids am Tisch» geschrieben – reinschauen lohnt sich!
Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.