Brief an mein früheres Ich

Was würde ich mir sagen, nach mehr als einem Jahrzehnt Mutterschaft‘ Meinem schwangeren Ich von früher. Darüber habe ich nachgefühlt und das kam dabei heraus. Habe ich was vergessen?

Liebes Du.

Ich nehme dich erstmal in den Arm. Weil das ist, was du am meisten brauchen wirst: Menschen, die dich sehen und dich umarmen in all deinen unterschiedlichen Zuständen des Mutterseins.

Du glaubst, du müsstest es einfach können, das Muttersein. So wie du so vieles konntest bisher. Aber Muttersein kann man nicht, Muttersein ist ein Zustand. Ein ungewohnter Zustand. Einer, der sich immer wieder ändert. Kaum gewinnst du Sicherheit, wirst du neue Unsicherheiten erleben.

Also sei einfach.
Sei mutig du selbst.

Verschwende keine Energie damit, anderen gefallen zu wollen. Es gibt zu viele, die wissen, wie Mütter sein sollten und wie nicht. Schaffe dir Klarheit darüber, was dir wichtig ist. Was für dein Kind wichtig ist. Was für euer Familienleben wichtig ist. Und dann lass alle anderen los. Ertrage, dass sie nicht verstehen. Dass sie Dinge anders sehen.

Denn am Ende bist du die, die Mutter ist. Die Mutter deines Kindes ist. Die diese Beziehung gestaltet. In den wachen Nächten und in den Tagen, die sich in die Länge ziehen können.

Auch du hast Vorstellungen davon, wie du sein solltest. Wie du mit deinem Kind umgehen willst. Wie es sich anfühlt, das Leben mit Kind, das Leben als Familie.
Einmal mehr: Lasse los. Alles! Muttermilch oder nicht. Holzspielzeuge oder nicht. Wie rasch das Kind windelfrei ist oder nicht. Was es können sollte, wie viele Freunde es haben sollte, welche Noten in der Schule, welchen Bildungsweg.

Je schneller du loslässt, umso eher kannst du dich darauf einlassen, was das Leben mit deinen Kindern reich macht. Du entdeckst, wie voll es ist. Wie tief du empfindest, in deinem Glück, aber auch in deiner Verzweiflung. Du erlebst, dass du selbst in den desaströsesten Momenten halten kannst. Wenn du weinend am Boden sitzt, die brüllenden Kinder um dich herum, hältst du dich daran fest, dass du sie liebst und sie dich lieben.

Und in dieser Müdigkeit, dieser bodenlosen. Die einsam macht und in der du viel zu oft alleine gelassen wirst von Menschen, die Gesellschaft bilden, geht es darum, dass du dich davon löst.

Dass du Chaos zulässt, wenn es dafür die Beziehung mit den Kindern entspannt.
Dass du Bildschirmzeit ermöglichst, wenn es dir dafür dringend benötigte Ruhepausen ermöglicht. Dass du Fertigessen auf den Tisch stellst, Nutella zum Frühstück erlaubst, dass du einmal mehr Ja zu Sirup sagst, als du würdest – damit du genügend Energie hast für alles, was ist.

Das einzige, was du halten musst, ist dein Herz. Und in deinem Herz der Glaube daran, dass ihr das zusammen schaffen werdet, dieses Leben mit all den Überraschungen, dem Überwältigendem, dem Wunderbaren und dem Glück, bedingungslos lieben zu dürfen und geliebt zu werden.

Es sind nicht die glorreichen Momente, die hochfliegenden. Es sind überraschend oft die schwierigen, die dich zu deinem Herz führen. Die dich erleben lassen, dass du mit deinen Kindern Menschen in deinem Leben hast, die bereit sind, dich immer wieder neu zu lieben. Dir immer wieder zu verzeihen.

Diese Beziehung ist das Kostbarste überhaupt. Wertschätze sie. Sorge dich um sie. Beschütze dein Herz und die Herzen deiner Kinder. Du bist die, die gestalten kann. Du bist die, die weiter sieht als sie. Die ein ‚dumme Mama‘ verzeihen kann, weil sie die Überforderung des Kindes sieht.

Halte aus, dass Kinder Lerndende sind. Halte ihnen das nicht vor.

Glaube daran, dass sie jederzeit darum bemüht sind, Dinge ‚richtig‘ zu machen. Und daran verzweifeln, dass sie das nicht können. Darüber frustriert und traurig sind. Halte deinen Glauben an sie hoch, genau dann. Sprich ihnen zu, dass sie geliebt sind, dass sie das schaffen werden, dass ihr das schaffen werdet, zusammen.

Das ist das, was ich in diesem Brief tue: Dein Herz halten. Dir meinen Glauben zusprechen, dass du das können wirst. Dass du es gut machen wirst. Dass es gut kommt. Und du alles bist, was ihr braucht, um ein volles, reiches Leben miteinander zu teilen.

Bild: Vanessa Käser

Teilen mit

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert