Wünschte, sie wären schon gross

Dann wünschte ich manchmal, du wärst gross. Könntest alles selber.
Durst, Hunger, Socken anziehen oder Schuhe. Gefühle regulieren. Müsstest nicht immer grad losweinen oder heulen oder schimpfen oder toben. Wärst weniger schnell müde.
Ich müsste an weniger denken.
Weniger an dich denken, weil du es tust.
Weil du es kannst.
Weil du gross bist.

Und dann bist du gross.
Kannst vieles selber.
Trinkst, wenn du Durst hast, isst. Ziehst dich an, ziehst dich um und ich sehe es an den dreckigen Kleidern, die ich überall finde. Stelle deine Schuhe etwas schöner hin, ärgere mich über herumliegende Socken. Du bist so lange nicht müde, dass ich mich abends wach halten muss, damit du vor Mitternacht schläfst. Ich überlege nicht mehr ständig, wie es dir gerade geht. Ob du Hunger hast, auf die Toilette musst, die richtigen Schuhe trägst – was weiss ich schon von richtigen Schuhen?
Kümmere ich mich, willst du lieber selber.
Weiss ich was, zweifelst du.
Oft bist du woanders.

Dann wünschte ich manchmal, du wärst klein.
Würdest auf meinem Schoss Platz haben, deine Arme um meinen Hals schlingen, deinen Kopf in meiner Brust vergraben. Könnte dich in den Schlaf wiegen, überall hin tragen. In deinen Wangen, deinem feinen Haar deinen Duft einatmen. Immer dein Trost sein.
Und die Welt? Du wüsstest von ihr kaum etwas, sie wäre so klein wie du. Sie wäre leicht, sie wäre heil.

Wünschte mir dich klein in Momenten, in denen deine Verzweiflung, meine Verzweiflung gross ist.
Wünschte mir dich gross in Momenten, in denen deine Verzweiflung, meine Verzweiflung gross ist.

Wünschte mir dich klein.
Wünschte mir dich gross.
Irgendwie, denke ich dann, wäre alles einfacher.
Wäre alles weniger.

Wo wir doch uns nur heute haben.
Genau jetzt.
In Klein wie in Gross.
Im Schwierigen wie im Leichten.
Und das Einzige, was ist, dass wir sind.
Du und ich.
Wünschte, dass wir das noch lange sein können.

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