Wie kann man sich als Paar aufs Kinderhaben vorbereiten?

Die Autorinnen

Als Expertinnenteam beraten Isabelle Schmid und Claudine Haus in ihrer Praxis «Familie entsteht» rund um Schwangerschaft, Geburt und Leben als junge Familie. Die Hebamme und die Psychotherapeutin unterstützen Paare in deren neuen Familienalltag. Sie bieten einen speziellen Kurs der Geburtsvorbereitung an, bei dem Familienvorbereitung ebenfalls integriert ist, mit dem Ziel, Paaren den Übertritt in die Elternschaft zu erleichtern und das Wohlbefinden und die Gesundheit von Eltern und Baby zu fördern.

«Darauf waren wir nicht vorbereitet»

«Ich liebe mein Baby über alles, aber so habe ich mir das nicht vorgestellt»

«Alles bis zur Geburt wurde ins Detail besprochen, aber was einen im Wochenbett erwartet, darüber waren wir nicht informiert»

«Was machen wir falsch?»

Solche Fragen beschäftigen Mütter, die bei uns Rat suchen. Das Baby ist da, die Welt der Neu-Eltern hat sich verändert, bloss: Nicht nur so, wie erwartet. Also, meistens gar nicht so, wie erwartet.

Weil man sich im Vorfeld häufig wenig Gedanken gemacht hat zur Zeit NACH der Geburt, weil man sich vielleicht auch gar nicht vorstellen kann, wie das wird. Mit Baby. Oder man selbst als Mutter und Vater. Deswegen denken Eltern häufig, nur sie würden diese erste Zeit als Familie, diesen neuen Lebensabschnitt, dermassen herausfordernd erleben.

Schnell kommen Versagensängste und Gedanken wie «WIR machen einfach etwas falsch». Vielleicht auch Schuldgefühle, denn:

Das Leben mit Baby wird nicht als ein zarter Traum in Rosé erlebt, sondern mitunter auch als Belastung für sich selber und die Partnerschaft.

Darum zuallererst: Ihr seid nicht alleine!

Das Leben mit Baby bringt auch ein neues Werden als Mutter und Vater, ein neues Werden als Paar mit sich.

Die Geburt eines Kindes stellt einen der herausfordernsten Übergänge im Lebensverlauf dar. Sie geht einher mit grossen Anpassungsprozessen auf individueller wie auch auf partnerschaftlicher Ebene.

Wo vorher Zeit und Musse waren, die Beziehung auf vielen Ebenen eingespielt. Die Aufgaben klar verteilt. Bringt ein Baby eine völlig neue Dynamik in das Paarleben. Neue Aufgaben, neue Rollen. Die Exklusivität der Zweierbeziehung geht im Übergang der Elternschaft häufig verloren. Wenn man Zeit für Austausch findet, drehen sich die Gespräche meist ums Kind oder Organisatorisches.

Zudem eröffnet die gemeinsame Verantwortung für das Wohl des Kindes viele neue Spannungsfelder. Unerfüllte Erwartungen, Enttäuschung über den Partner, höheres Stresserleben durch die neuen Anforderungen im Alltag mit Baby, Gereiztheit durch Schlafmangel und weniger Zeit für die Befriedigung der eigenen Bedürfnisse sind alles Faktoren, die junge Eltern als belastend wahrnehmen.

Dass ein Baby die Partnerschaft grundlegend aufrütteln kann, ist vielen Paaren im Vorfeld nicht bewusst. Entsprechend löst der neue Alltag oft Unsicherheit, Frust und Stress aus. Diese Gefühle gehören zu einem solchen Anpassungsprozess, rauben jedoch wichtige Energie, die im Alltag mit Baby so nötig ist.

Was tun, um diese neue Paarsituation mit Baby zu entspannen?

Zwei Sachen könnt ihr machen:

  • Euch darüber informieren, was in dieser Lebensphase passiert. Wissen hilft, Dinge besser einordnen zu können.
  • Euch Kompetenzen und Strategien aneignen, damit ihr auf die neuen Herausforderungen gut reagieren könnt.

Klar ist: Auch mit bester Vorbereitung wird es im Alltag als junge Familie – wie im Paaralltag ohne Kind auch – zuweilen zu Reibereien und Konflikten kommen.

Ideen für kurzfristige Entspannung von Alltagssituationen

Der Vater eines achtwöchigen Babys kommt nach einem langen, anstrengenden Arbeitstag müde nach Hause und freut sich darauf, Zeit mit seiner Partnerin und seinem Baby zu verbringen.

Seine Partnerin im Mutterschaftsurlaub wartet bereits sehnsüchtig auf seine Unterstützung. Das Baby war sehr unruhig, wollte den ganzen Tag getragen werden, ist zudem die letzten beiden Nächte fast stündlich erwacht. Sobald ihr Partner die Wohnung betreten hat, drückt sie ihm, etwas unwirsch, mit den Worten «Ich mag nicht mehr, jetzt bist DU dran» das Kind in die Arme und verschwindet im Schlafzimmer. Das Baby fängt erneut zu quengeln an.

Der Mann ist enttäuscht über diesen Empfang. Das Verhalten seiner Partnerin ist für ihn unverständlich. Er fühlt sich abgelehnt.

Lagezustandsbericht vor dem Aufeinandertreffen

Um solche Situationen kurzfristig zu entschärfen, hilft es, einander bereits vor dem ersten Aufeinandertreffen über die momentane Lage und Stimmung zu informieren. Beide wissen, wie es dem anderen geht, und können so ihre Erwartungen der Situation anpassen.

Zudem wird das Verhalten des anderen nicht als persönlicher Vorwurf gewertet, sondern als Zeichen von Erschöpfung oder Stress eingeordnet.

Und last but not least: Wer den Partner versteht, kann im besten Fall optimal auf die Gemütslage des anderen reagieren. Statt Erwartungen zu haben, kann man auf die Bedürfnisse des anderen eingehen. Sprich: Es gelingt vielleicht, dem anderen kurzfristig Freiraum zu schaffen, damit er sich um seine eigenen Bedürfnisse kümmern und die Batterien wieder aufladen kann.

Das können Tätigkeiten oder soziale Kontakte sein, die gut tun.
Ein Spaziergang im Wald, ungestört ein Bad nehmen, ein Buch lesen, mit einer guten Freundin/einem Freund reden.

Für denjenigen, der zuhause ist, kann ein kurzer, räumlicher Abstand zum Baby in diesem Moment viel bewirken. Konkret nimmt der Partner beim Heimkommen gleich das Baby und dreht mit ihm eine kurze Runde ums Haus. Das reicht häufig schon, um die hochgekochten Gefühle zu beruhigen.

Ideen für längerfristige Entspannung von Alltagssituationen

Klagezeiten einbauen

Warum nicht eine Klagezeit in den Alltag integrieren? Das könnt ihr folgendermassen machen: In regelmässigen Abständen (alle zwei, drei Tage) einen begrenzten Zeitraum definieren (jede/-r 10 Minuten), in dem man sich gegenseitig von Sorgen und Bedürfnissen berichtet – ohne dass der andere unterbricht.

Damit verhindert man, dass man sich aufgestauten Frust ‚aus dem Nichts‘ explosionsmässig an den Kopf schmeisst. Man fühlt sich vom anderen gesehen und wahrgenommen. Darüber zu sprechen und vielleicht im Anschluss sogar gemeinsam eine Lösung zu suchen, kann schon vieles entspannen.

Das Baby verstehen

Scheint, als hätte das erstmal gar nichts mit Paarbeziehung zu tun. Aber: Das Wissen um mögliche Ursachen für die Unruhe des Babys kann entspannen. Dinge wie ‚Wachstumsschub‘, der macht, dass die mütterliche Milchproduktion für den Moment knapp wird. Oder das Baby nörzig ist. Alleine das Wissen darum hilft, nicht gleich im roten Bereich zu drehen.

Zudem kann man sich über Möglichkeiten informieren und weiss besser, was man in einer solchen Situation tun kann (z.B. vermehrt ansetzen). Oder man schaut sich das Tagesprogramm an, überlegt, ob und wo das Baby womöglich zu vielen Reizen ausgesetzt ist (Einkaufen ist übrigens bereits sehr viel Reizflutung).

Wenn man das eigene Tempo dem Baby anpasst und darauf achtet, dass es tagsüber regelmässig schlafen kann (in den ersten Lebenswochen alle ein bis eineinhalb Stunden), könnte dies eine mögliche Hilfe sein, dass das Baby und damit auch die Eltern entspannter sind.

Auch ein regelmässiger Tagesablauf mit festen Ritualen (z.B. ein Spaziergang am Morgen, ein Bad am Abend, derselbe Ablauf beim Einschlafen) kann dem Baby zusätzlich Sicherheit und Ruhe vermitteln.

Wer eine Ahnung hat, warum das Baby weint, weiss: Es ist ein vorübergehender Zustand. Das kann helfen, die fordernde Zeit gemeinsam durchzustehen und zu bewältigen.

Externe Hilfe in Anspruch nehmen

Sind die Nächte schlecht, Eltern und Baby abgestresst, empfehlen wir, zusammen zu überlegen, wie man sich kurz- oder mittelfristig etwas entlasten kann.

Wo und durch wen kann man Hilfe organisieren? Welche Tätigkeiten können ausgelagert werden? Welche Ressourcen hat man zur Verfügung?

Vielleicht gibt es jemanden im Umfeld, der gerne kocht. Warum nicht fragen, ob die Person regelmässig eine Mahlzeit vorbeibringen könnte? Gibt es Verwandte oder Bekannte, denen man das Baby für einen Spaziergang anvertrauen möchte? Dann einfach fragen, ob sie das regelmässig machen würden.
Oder man nimmt, wenn es finanziell machbar ist, externe Dienste in Anspruch. Putzen, Lieferservice – es gibt auch Lieferservice für Wäsche. Das muss kein Engagement für die Ewigkeit sein, aber wenn solche Dienste einen entlasten und wertvolle Kräfte freisetzen können, lohnt sich das Investment.

Zu guter Letzt:

Ein Baby ist nicht einfach ein Projekt, welches wie geplant verläuft. Jedes Baby bringt sein eigenes Temperament, seine eigene Persönlichkeit mit. Diese können ganz anders sein, als von den Eltern vielleicht erwartet. Ein Baby verändert das Leben von Paaren und das ist gut so. Es fühlt sich zwar nicht immer gut an, manche Prozesse, die ein Kind bei einem selbst oder in der Partnerschaft auslöst, können schmerzhaft sein.

Doch wenn man bereit ist, sich als Eltern und sich als Paar auf diese neue Lebensphase einzulassen, wird daraus eine wertvolle, bereichernde Zeit, die immer wieder wahnsinnig viel Schönes und Tiefes beinhaltet. Das gemeinsame Erleben dieser Auf und Abs und das gemeinsame Durchstehen
schwieriger Momente kann auch zu einem verstärkten Gefühl von Verbundenheit führen.

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