35 Grad im Schatten. Und das auf über 1000 Metern über Meer. Kaum im Ferienhaus meiner Eltern angekommen – abgelegen im Jura – stand fest: Keine natürliche Abkühlung durch Luft. Es musste unnatürliche Abkühlung durch Wasser her.
Entsprechend war der erste Programmpunkt unserer Familienferien nicht Füssehochlagern und Durchatmen. Sondern die Beschaffung eines Plantschbeckens für Kinder. Und das in einer Region, die nicht gerade bekannt ist für grosse Shopping-Malls.
Aber eine Landi, die hat’s im Nachbarsdorf. Und wie wir städtischen Landeier inzwischen wissen: Eine Landi, die hat alles.
Kurz denke ich darüber nach, was geschehen würde, wenn nein… doch diesen Gedanken verwerfe ich schnell wieder. Packe die Kinder ins Auto und fahre los.
Erst im Laden selbst fällt mir auf, dass um mich herum alle Schutzmasken tragen. Im Kanton Jura gilt seit Juli eine Maskenpflicht in sämtlichen öffentliche Orten. Ich fühle mich im Rebellenkanton selber als (ungewollter) Rebell.
Die Kinder haben das Poolregal entdeckt. Die Auswahl ist überschaubar. Insbesondere die unserer Preisklasse. Welches Plantschbecken für Kinder geeignet ist? Gemeinsam mit den Kindern wähle ich das Modell «Fishing Fun». Aufblasbarer Pool mit kleiner Rutsche, Palme, die Wasser speit. Leuchtturm und einer Art «Vier gewinnt» Wand, inklusive Zubehör wie Bälle, Fischerrute und aufblasbare Fischli. Dies alles zum unschlagbaren Preis von CHF 39.00.
Die Kinder sind absolut aus dem Häuschen. Ich happy, die mir anvertraute Verantwortung in allen Punkten erfolgreich erfüllen zu können.
Die Hitze im Nacken, die Lösung unter den Armen kehren wir ins Ferienhaus zurück.
Wo sich meine Frau kaum mehr einkriegt ob unserer Wahl. «So ä Pool? Nie im Leben hätte ich einen solchen gekauft… so viel Schischi… aber ja», fügte sie netterweise noch an, «ist sicher lustig für die Kinder».
Ich fühle mich in meiner Poolkompetenz leicht verletzt.
Doch die Euphorie der Kinder stärkt mein Vertrauen in meine Wahl. «Aufblasen!», skandieren sie im Chor. Und plötzlich stellt sich eine match-entscheidende Frage: Haben wir im Ferienhaus eine Pumpe?
Ja! Haben wir. Bloss: Die ist über vierzig Jahre alt und entsprechend nicht für die neuen Ventile tauglich. Die Stimmung droht zu kippen. Doch Chuck-Norris-Papa-C lässt sich nicht beirren und startet sofort damit, das Kinderplantschbecken mit reiner Lungenkraft aufzublasen. Gopf!
Ich puste, was das Zeug hält und habe mehrmals das Gefühl, gleich in Ohmacht zu fallen. Doch ich sehe das Ziel: Ein Plantschbecken für die Kinder, das genügend Unterhaltungswert bietet, um mir ein paar Minuten, gegebenenfalls sogar Stunden Entspannung in den Familienferien zu verschaffen.
Nachdem ich gefühlt so blau angelaufen bin wie ein Schlumpf, steht der Pool.
Die Kinder nehmen den Schlauch, hängen diesen im Badezimmer (Ferienhaus, da ist alles etwas anders, auch der Gartenschlauchanschluss) an die Vorrichtung. Ja, liebe Dads, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser… der Schlauch war im Bad nicht optimal befestigt, dafür der Wasserhahn mit vollem Druck offen. Und als sich Kind kurz traut, das Wasser im Schlauch durch Knicken zu stauen, geschieht, was geschehen musste: Schlauch im Badezimmer ab, Wasserfontäne an. Überschwemmung und Poolfeeling im Badezimmer.
Bevor überhaupt jemand sich abkühlen kann, bin ich mit Lappen und auf allen Vieren am Wasseraufsaugen.
Nachdem diese Titanic Passage bestanden ist, kann es endlich losgehen. Der Spassfaktor ist unter den gegebenen Umständen maximal. Effektiv konnten meine Frau und ich über einige Minuten entspannen, ohne eingreifen zu müssen. In dem Sinne hat sich alles gelohnt.
Doch der nächste Stimmungskiller ist bereits im Anmarsch: Der Pool hat ein Leck.
«Keis Wunder bi au däm Schischi, da geit immer öppis kaputt», konstatiert meine Frau.
Das Wasser sickert relativ schnell ab. Einerseits gut, denn das heisst, das Loch ist gross und somit leicht zu finden. Andererseits schlecht, weil das Loch eben gross sein wird. Und so ist es auch.
Bei der Rutschbahnvorrichtung an mehreren Stellen über mehrere Zentimeter gerissen.
Die Stimmung droht ins Negative zu kippen, erste Wutanfälle der Kids sind in Sicht- und Hörweite.
Mit taktischem Geschick schlägt meine Frau sogleich vor, jetzt erstmals Eis zu essen. Also sie und die Kids. Ich muss in dieser Zeit das Kinderplantschbecken flicken.
Wie jeder Dad weiss, gibt es für solche Fälle immer drei Dinge, die helfen: Duck-Tape, WD40 Spray oder Kabelbinder. Eines funktioniert immer. In diesem Fall das Duck-Tape. Nicht im Ferienhaus vorhanden.
Während der Glacépause besuche ich erneut die Landi (diesmal mit Maske), finde erneut, was ich suche und kann die Risse damit verkleben. MacGiver hätte es nicht besser machen können. Auch eine Art Feriengefühl.
Die Plantscherei geht in die nächste Runde. Irgendwann wollen K1 bis K3, dass K4 auch in den Pool kommt. Natürlich darf das Baby das. «Aber bitte sit vorsichtig, K4 isch noch chli.». Soweit alles gut, alle haben Freude. Bis K4 plötzlich einen knallroten Kopf kriegt. In der ganzen Euphorie hatten wir die Babyschwimm-Windel vergessen.
Rasch ist klar: Die Kacke ist am Dampfen. Und so müssen und wollen alle Kinder aus dem «Gaggi-Pool» raus und unter die Dusche. Zum Abschluss darf ich die Gaggistücke aus dem Wasser fischen, fachgerecht entsorgen und den Pool sodann richtig entleeren und säubern.
Der Modellname «Fishing Fun» konnte für mich in diesem Moment nicht trefflicher sein.
Ich bin kaputt. Aber nach der ganzen Plantscherei noch eingeteilt fürs Feuermachen und Grillen. Komme nun was wolle: Nach einem solchen Abenteuer bringt mich nichts so schnell aus der Ruhe. Petri Heil.
Vier Kinder hat er. Einen 100% Job. Und eine Hausfrau zuhause, die ihm den Laden schmeisst. Doch das tönt gemütlicher als es ist. Denn Papa C. ist engagierter Vollzeit-Vater. Und wenn er mal in Ruhe denn Müll raustragen kann, läuft das bereits unter Freizeit.