Von Züri in den Thurgau – die Geschichte einer Auswanderung

Ich stellte fest, dass wir irgendwie aufgehört hatten zu leben.

Fünf Kinder, 98 Quadratmeter. Wer erinnert sich noch an meinen Blog zu unserer leicht prekären Wohnsituation, immerhin an der Zürcher Goldküste. Aber auch hier galt: Es ist nicht alles Gold was glänzt.

Denn so fest wir unser Reihenhaus lieben. Drei Kinder in einem Zimmer unterzubringen geht zwar. Aber da stand plötzlich dieses Haus. Gross, geräumig und mit ihm das Versprechen: Ein Zimmer für jedes Kind. Dumm nur: Das Haus stand gänzlich woanders, als wir uns gewünscht hätten. Sowohl was die Umgebung betrifft (nämlich Land), so wie den Kanton (Thurgau).

Was tun?

Letztendlich entschieden wir uns, umzuziehen. Ein wahrlich lebensfüllendes Projekt mit unseren fünf Kindern und einem neuen Haus, das so alt war, dass wir nonstop damit beschäftigt waren, es für uns bewohnbar zu machen. Weshalb meine Blogs hier ziemlich rar geworden sind. Doch wir leben noch.

Wie ist es eigentlich von der Stadt aufs Land zu ziehen? So richtig aufs Land. In den Kanton Thurgau zum Beispiel.

Als Zürcherin tönt das für mich wie ein Auswanderungsprojekt.Ich machte mir ja schon so meine Vorstellungen und hatte auch Bilder in meinem Kopf, wie das Leben mit Kindern auf dem Land so aussehen könnte. Heute kann ich sagen, dass diese Bilder wohl aus Astrid Lindgren Filmen stammten. Kinder, die über Blumenwiesen rennen, jeden Tag frisch gebackenes Brot zum Frühstück (natürlich selbst gemacht) essen und ein Keller voll eingemachter Zwetschgen und Aprikosen geniessen. Solche Bilder können nur aus Filmen stammen.

Denn heute wohne ich auf dem Land. Als Zürcherin. Im Kanton Thurgau. In einem Dreihundertseelen-Dorf. Und zwar genau seit einem Monat.

Mit den oben beschriebenen Bildern hat mein Leben momentan so viel gemeinsam, wie eine Kartoffel mit einer Rolex-Uhr.

Mit über die Blumenwiesen rennen war dieses Jahr wegen fehlenden Blumen ja eh nichts, wäre aber je nach Länge des Grases glaube ich sowieso verboten und zum Früchte einmachen fehlt mir schlichtweg die Zeit.

Denn so ein Umzug mit Kindern bringt so einiges mit sich. Auch nach einem Monat leben wir nach wie vor aus Schachteln. Meine Energie wende ich zur Zeit hauptsächlich dafür auf, meinen Kindern möglichst schnell ein neues zu Hause zu schaffen, was gar nicht so einfach ist.

Was macht ein zu Hause aus?

Diese Frage habe ich mir im Zusammenhang mit dem Umzug schon öfters gestellt. Und für mich persönlich könnte ich diese Frage einfach beantworten. Ich liebe aufgeräumte und schön dekorierte Zimmer, eine Küche, die nach frischem Kaffee duftet und Kerzenschein im ganzen Haus. Aber ich habe festgestellt, dass für unsere Kinder andere Kriterien zu dem zu-Hause-Gefühl beitragen.

Grüsse aus dem Zwischenlager. Solange die Kinderzimmer nicht eingerichtet sind, bleibt alles so wie zuvor: Ein Zimmer, mehrere Kinder. Bloss, dass jetzt noch ein paar Schachteln dazu kommen…

Anfänglich waren mein Mann und ich ständig hinter diesen Ikea-Kisten her, denn wir wollten so schnell wie möglich aus diesen braunen Dingern raus. Die Kinder setzten wir in dieser Zeit vor den Fernseher und abends gab es Fertig-Pizza, für mehr reichte unsere Enrgie nicht aus. Ich bin mir sicher, dass Fertigpizza und Netflix gute Zwischenlösungen sind.

Aber irgendwie wurden wir immer unzufriedener und das Heimweh nach dem alten Zuhause grösser statt kleiner.

Ich stellte fest, dass wir irgendwie aufgehört hatten zu leben.

Was nicht nötig wäre. Denn Spiele kann man auch zwischen Umzugskartons machen. Und Familien-Ausflüge sind ein guter Tapetenwechsel für alle Beteiligten.

Da sind wir nun. Zwar noch immer in Kartons, dafür leben wir dazwischen auch mal wieder. Das fühlt sich für mich irgendwie gut an.

Und wie das Landleben so ist, das kann ich vielleicht in einem Jahr oder so genauer sagen. Keine Ahnung wie lange wir noch in Schachteln stecken werden.

Und täglich grüsst das Chaos – äh, Leben.
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