Ein paar Monate nachdem ich zum ersten Mal Vater wurde schlich sich plötzlich dieser Gedanke in mein Kopf:
«Der Ernährer, das bist du.»
Nicht deine Eltern, nicht deine Frau, nicht deine Kumpels, sondern DU.
Ist ja nicht so, dass man das nie vorher gehört hätte. Doch nun war es das erste Mal, das mich dieser Gedanke in Stress versetzte. Zuvor galt es nicht ernst. Jetzt mit einem Kleinkind eben schon. Und es stellten sich auf einmal ganz neue Fragen. Das Gute daran:
Ich fühlte mich irgendwie erwachsen.
Inzwischen sind ein paar Jahre vergangen und zwei weitere Kinder geboren. Ich arbeite nach wie vor Vollzeit als Geschäftsführer eines KMUs.
Der heutige Tag war anstrengend. Die zwei Endjahresgespräche mit Mitarbeitenden forderten mich, die Kundenbeanstandung konnte heute immer noch nicht gelöst werden und die analysierten Margenziele lassen zu wünschen übrig. Auf der Rückfahrt von der Arbeit hatte es mehr Stau als sonst und mein Smartphone keinen Saft mehr (das Ladekabel hat mein vierjähriger Sohn bei der letzten Ausfahrt im Auto «versteckt»). Das anschliessende Abendprogramm, bestehend aus Nachtessen, Baden und Bettli (erst die Kinder, dann ich) verlief in den gewohnten Bahnen, will heissen: Hektisch, laut und körperlich fordernd.
Nun ist es 21.39 Uhr, ich liege erschöpft im Bett und will die Nachttischlampe ausschalten. Da fällt mein Blick auf das Buch. Das Cover zeigt den Brustteil eines Mannes in einem weissen Trägershirt, Arme verschränkt, tendenziell sportlicher Körperbau. Das Buch trägt den Titel #Vatersein. «Könnte ich sein», denke ich. Und beginne, darin zu blättern.
Der Einstieg ist philosophisch steil – also, für die fortgeschrittene Stunde.
Autorin Barbara Weber-Ruppli hat drei Experten unterschiedlichen Backgrounds zum Vatersein in der aktuellen Gesellschaft befragt. Markus Theunert, Fachmann für Männer- und Geschlechterfragen ist einer davon. Und es ist eine Aussage von ihm, an der ich hängen bleibe:
«Väter stellen heute an sich selbst einen doppelten und erst noch widersprünglichen Anspruch an sich selbst: Einerseits teilen sie mehrheitlich das ‚egalitäre Ideal‘ und sehen Elternschaft als gemeinsames Projekt, bei dem sich Vater und Mutter sowohl die finanzielle als auch die emotionale Verantwortung teilen. Andererseits sehen sie sich immer noch in der Ernährerrolle früherer Generationen […] Diese Männer sind keineswegs Ewiggestrige. In ihrer Optik leisten sie Erwerbsarbeit für die Familie nicht aus Egoismus. Entsprechend ist es für sie in der Regel sehr verletzend, wenn man ihnen vorhält, sie hätten nur an sich gedacht.»
Das hat Kusi Theunert jetzt aber ziemlich trefflich formuliert. Ohne diesen Mann zu kennen, habe ich das Gefühl, dass er mich auswendig kennt.
22.01 Uhr– nun bin ich wieder hell wach.
Die Schilderung von Markus Theunert fasst mein Empfinden in Worte zusammen, was nach einem Tag wie heute Balsam für die Seele ist.
Mit dem Vatersein bemerkte ich bei mir effektiv den Anspruch (nicht Wunsch, Anspruch!) der Ernährer der Familie zu sein. Und in logischer Konsequenz stelle ich diesen Anspruch mit dem Berufsleben in einen Zusammenhang. Für mich heisst das: Ich muss nun schauen, dass ich einen stabilen, gut bezahlten Job mit Perspektive habe. Wer will das schon nicht, klar.
Aber meine Motivation dazu war nicht mehr mein Selbstverwirklichungsdrang, sondern meine kleine Familie.
Der andere Anspruch an mich selbst, ein emotionaler und zugänglicher Vater zu sein, bestand schon vor der Geburt der Kinder. Mit der Geburt ist er geblieben.
Ich fühle mich in zwei Welten versetzt, zwischen denen ich in Lichtgeschwindigkeit hin und her pendle.
Nicht ganz ohne Nebenwirkungen: Müde, gestresst, gereizt und mit ein paar Kilos mehr auf den Rippen. Da stelle ich mir persönlich manchmal schon die Frage: Kann ich in diesem Zustand der emotionale und zugängliche Vater sein, der ich sein will?
Im Nachhinein bin ich völlig blauäugig in das Projekt Vatersein gestartet.
In der Tat hatte ich die ersten paar Monate nach der Geburt immer noch kein Ahnung. Erst nach und nach eröffnete sich mir das Ausmass der Verpflichtungen und der Arbeit.
Papa C. in den Anfängen seines Vaterseins. Als die Herausforderung vor allem aus dem Beklettern von Erwachsenen-untauglichen Spielgerüsten bestand…
Vatersein stellte bei mir effektiv mein altes Leben auf den Kopf. Ich fühle mich zum Teil in die Rekrutenschule (RS) zurückversetzt, nur in der RS waren die Wochenenden frei und ab und zu gab es auch einen Abend Ausgang.
«Ich persönlich habe als Vater den massiven Autonomie-Verlust als gravierendste Folge der Vaterschaft erlebt.»
Steht im Buch so geschrieben. Krass. Ich bin also nicht der einzige Vater, der das Vatersein als ‚massiven Autonomie-Verlust‘ erlebt. Der Autor nennt das Kind zudem beim Namen und spricht von ‚gravierenden‘ Folgen, eine deutliche Wortwahl.
«Was tun, wenn man merkt, dass Vatersein kein Kinderspiel ist?»
Diese Frage könnte ich gestellt haben. Und die Antwort dazu tut meiner Seele an diesem Abend nochmals richtig gut: «Aus meiner beruflichen wie persönlichen Erfahrung heraus erachte ich es als sehr normal, dass ein Vater an Grenzen stösst. (…) Meine primäre Empfehlung: diesen Zustand akzeptieren.»
Ich darf also als Vater an meine Grenzen stossen und soll diesen Zustand akzeptieren.
Diese Tatsache beruhigt mich und lässt mich ein Stück mehr zum emotionalen und zugänglichen Vater meiner Kinder werden.
22.35 Uhr – Muss morgen weiterlesen. Gute Nacht.
Wer gerne selber nachlesen möchte:
Wir dürfen ein Exemplar dieses spannenden Buches verschenken. Inhalt sind nicht nur die drei ersten Interviews mit Experten, sondern auch spannende Porträts ganz unterschiedlicher Väter. Erschienen ist das Buch im Arisverlag.
Gewinnen könnt ihr, indem ihr diesen Blogbeitrag auf unserer Facebookseite Mamas Unplugged bis 22. Dezember 2017, 12.00 Uhr, kommentiert. Wer gewinnt, wird unter allen Kommentaren ausgelost. Viel Glück!!!
Teilnahmebedingungen:
Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Keine Barauszahlung möglich. Der Gewinner wird auf Facebook bekannt gegeben.
Vier Kinder hat er. Einen 100% Job. Und eine Hausfrau zuhause, die ihm den Laden schmeisst. Doch das tönt gemütlicher als es ist. Denn Papa C. ist engagierter Vollzeit-Vater. Und wenn er mal in Ruhe denn Müll raustragen kann, läuft das bereits unter Freizeit.