Da waren wir nun. Madame wollte keinen Mittagsschlaf machen, darum war sie im Auto schon, naja, sagen wir: Leicht angepisst. Blauäugig, wie man nur sein kann, dachte ich mir: «Das wird sich während des Einkaufens schon richten. Sie kann wie immer ihre Banane essen, während ich durch die Gänge kurve.»
Als wir im Supermarkt ankamen, beging ich anscheinend einen Fehler nach dem anderen.
Fehler #1:
Ich parkte in der Nähe des Haupteinganges, wo blöderweise ein Rösslispiel steht. Warum bin ich nicht hinauf in den ersten Stock gefahren wie immer? Keiner weiss es.
Herzlich willkommen in Runde 1 des Trotzanfalls.
In der linken Ecke: Dickköpfige, durchsetzungswillige Zweijährige, in der rechten Ecke: Übermüdete und resignierte Mutter.
Natürlich wollte sie auf den lustigen, farbigen Pferdchen reiten (Malen die die extra so an? Ich würde die schwarz mit feuerroten Augen, fletschenden Zähnen und gezackten Mähnen gestalten…).
Und schon machte ich Fehler #2:
«Ok, du darfst aber nur EINE Runde.»
Haha, als ob Madame verstehen würde beziehungsweise verstehen WOLLTE, was EINE Runde hiess.
Die Runde war vorbei und somit auch die Harmonie. Ich packte das quengelnde Kind, stopfte es in den Wagen und machte mich etwas angespannt auf den Weg in den Supermarkt.
Und den Weg, den wir einschlugen, war Fehler #3.
Direkt vorbei an den Kinder–Einkaufswagen. Was da wohl kommt? Natürlich will sie einen. Ich sah mich schon, den grossen sowie den kleinen Einkaufswagen schieben. Aber da ich vorerst keinen weiteren Anfall herauf beschwören wollte, nahmen wir so ein Ding mit.
Wir starteten unsere Tour durch den Laden. Bis zur Hälfte ging es eigentlich ganz gut. Doch auf Fehler #3 folgte fataler Fehler #4.
Die Süssigkeitenabteilung.
Erst als ich gemählich hindurch schlenderte, wurde mir bewusst, wo wir uns gerade befanden. Und welche Sprengkraft so eine Abteilung hatte. Ich merkte, wie jeder Muskel meines Körpers sich spannte. Im Kopf läuteten schrill die Alarmglocken! Mein Puls jagte hoch und die Pupillen waren erweitert. Doch zu spät. Madame hatte ebenfalls gesehen, was ich sah. Süsses! Wovon sie dies und das gerne in ihren Wagen legen würde – mein Dauer-«NEIN» kam nur mässig gut an.
Willkommen in der zweiten Runde Trotzanfall. Diesmal aber richtig.
Sie legte sich auf den Boden, schrie, weinte, heulte, kreischte, poltert, schimpfte, wetterte und zeterte. Sie klammerte sich mit ihren Händen an meinem Einkaufswagen fest, um mich aufzuhalten. Und ich? Ich fuhr einfach weiter. Ignorierte mein Kind, das da unten hängend mitgeschleift wurde und dabei wie wild um sich trat. Ich summte vor mich hin, hauptsächlich um mich selbst zu beruhigen. Die netten, neugierigen Blicke ignorierte ich soweit. Einige Mütter schenkten mir ein müdes Lächeln. Ja, was sind wir froh, geht es nicht nur uns selber so.
Damit hätte das Fiasko fertig sein können. Doch wir schafften es heute bis zu Fehler #5:
Ich erbarmte mich, steckte ihr eine kleine Packung Smarties zu mit dem Hinweis «Das müssen wir aber erst bezahlen, dann kannst du sie essen.» Ähä…
Warten bis wir bei der Kasse sind? Keine Chance Mutti! ICH WILL JETZT!
Well then. Sie sass wieder im Wagen, ass genüsslich ihre Smarties und ich stiess mit der einen Hand den grossen überfüllten Einkaufswagen, mit der anderen versuchte ich, den kleinen irgendwie mitzuführen. Gott sei Dank waren die Konstrukteure des Mini-Einkaufwagens so schlau und hatten daran eine Art Fahnenstange mit Griff montiert. Es müssen Mütter gewesen sein! Denn müsste ich das Ding auch noch auf der eigentlichen Höhe stossen, würde ich Quasimodo-mässig durch die Gänge wandern.
Junior hing an mir und verschlief die ganze Szenerie. Noch ist er so einfach. So anspruchslos. Und doch stehen mir die Haare zu Berge, wenn ich daran denke, dass auch er in das berühmte «Trotzalter» kommen wird. Was mache ich dann? Oder besser: WIE mach ich das?
Mit zwei Motzköpfen shoppen gehen. Mir graust es.
Wie zum Teufel soll ich zwei kleine plus den grossen Einkaufswagen durch die Gänge buxieren PLUS die zwei Wirbelwinde im Griff haben? Es fehlen mir mindestens vier Arme um dieses Vorhaben zu meistern. Naja, ein bisschen Zeit hab ich ja noch. Wie sagt man so schön? ES KANN JA NUR BESSER WERDEN!
Bild: Bianca Lucas Unsplash
Rahel lebt mit Mann, Familie und Schweinen auf dem Land. Für ihre zwei Kinder hat sie High Heels, Minikleidchen und dazu passendes Täschli eingetauscht gegen Trekkingschuhe, Funktionskleidung und diverse Traghilfen und Tragetücher. Ob sie alles so meint, wie sie schreibt? Vielleicht…
Ein Kommentar zu “Trotzanfall reloaded”