Wie es mir geht?
In meiner derzeitigen Lebensphase ist die Antwort auf diese Frage stark abhängig vom Tageszeitpunkt und der Verfassung meiner Kinder. Kurz vor 18.00 Uhr weniger gut als nach dem Frühstück zum Beispiel.
Wie es mir WIRKLICH geht, dazu möchte ich manchmal lieber gar nichts sagen. Weil ich dafür ausholen müsste. Weil es kompliziert ist. Verwoben. Uferlos.
Darum wissen vor allem die Menschen, wie’s mir geht, die mit mir Leben teilen.
Erst kürzlich bin ich dieser Frage jedoch etwas ausführlicher nachgegangen und habe festgestellt, wie paradox ich sie im Endeffekt beantworten muss. Einerseits bin ich extrem ausgeglichen und glücklich. Andererseits fühle ich mich überwältigt vom Leben.
Beides – sowohl das Glück wie das Überwältigtsein – schreibe ich der Mutterschaft zu. Bin mir aber nicht sicher, ob das fair ist.
Das Leben mit Kindern, die intensive, liebevolle Beziehung mit ihnen. Der Drive, den sie in unseren Alltag bringen. Das ist ein Flow, der mich glücklich macht. Ich bin erfüllt davon.
Vom Sein.
Von der Interaktion.
Vom Gebrauchtwerden.
Vom Beschenktwerden.
Von den unerwarteten Erlebnissen, die meine Grenzen sprengen, mich mich selber und die intensivste Form des Seins spüren lassen. Ich habe sehr viel Spass. Ich entdecke wahnsinnig viel Neues. Ergründe Tiefen. Lerne so viel.
Das alles ist für mich erfüllend und belebend.
Aber ich bin auch müde.
Genau deswegen.
Weil ich die Konstanz in meinem Leben vermisse.
Ich bin Veränderungen unterworfen, die ich absolut nicht unter Kontrolle habe.
Ich bin gezwungen, darauf zu reagieren. Täglich, stündlich, manchmal minütlich.
Stets über Grenzen zu gehen, ist anstrengend.
Und ich bin alleine.
Selbst wenn wir als Team Eltern sind, bin ich alleine.
Weil am Ende alles auf einen selbst zurückfällt. Was man fühlt. Was man damit macht.
Keiner kann mir das Gefühl der Verantwortung abnehmen, die ich trage, seit ich Kinder habe.
Entlasten vielleicht, aber am Ende, wenn keiner mehr da ist, bin ich.
Ich muss Entscheidungen treffen. Ich trage deren Konsequenzen.
Ich weiss aber nie, welche Entscheidung richtig ist.
Und dieses Nie-Wissen ist auch etwas, was mich belastet.
Denn ich will gute Entscheidungen treffen.
Solche, die für alle stimmig sind. Den grössten gemeinsamen Teiler finden.
Manchmal überwältigt mich das. Die Grösse der Aufgabe und mein Unvermögen, sie so zu erfüllen, dass alle zufrieden sind.
Es ist häufig gut.
Aber doch nicht gut genug.
Dieses Gezwungensein, stets «ds Füfi grad si lah», macht mich zwischendurch fertig.
Selbst wenn ich den Sinn der Sache durchaus sehe. Das auch möchte. Ja, sogar gut finde.
Ist es anstrengend.
Genau so anstrengend, wie im Paradox höchsten Glücks und purster Erschöpfung zu leben.
Wie geht das?
Häufig fühle ich mich wie ein Bullrider, der sich auf dem wild aufbäumenden Tier hält. Mal verwegen feiert, dass er noch drauf sitzt. Mal verzweifelt, weil ihm dieser Ritt alles abverlangt und hofft, er möge doch einfach runterfallen.
Es geht mir gut.
Sehr gut.
Und doch kann ich in der nächsten Sekunde losheulen, wenn ich mich irgendwo anstosse. Das Kind mir an den Haaren reisst. Oder mir ein Missgeschick passiert.
Und während ich heule, schwemmen die Tränen gleich die ganze Überforderung mit sich. So dass ich am liebsten endlos weiterweinen möchte. Mich miserabel fühle und total am Boden.
Mich aufraffe, weitermache und Minuten später wieder lachen und glücklich sein kann.
Wie crazy ist das?
Ich bring’s zusammen. In meinem Leben, in meinem Alltag.
Aber wenn mich jemand fragt, wie es mir geht, bring ich’s nicht auf den Punkt.
Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.