Anfängerin war ich zuletzt vor fünf Jahren. Als K1 auf die Welt kam und mich zu einer unbedarften Mama machte. Unsicher schon nur bei der Frage, ob und wann ich meinem Kind den Schnuller geben sollte/durfte/musste. Was bin ich froh, keine Anfängerin mehr zu sein. Auch wenn sich beim dritten Kind doch einiges wieder wie neu anfühlt.
Jetzt, fünf Jahre später, bin ich es wieder. Blutige Anfängerin.
K1 wird eingeschult (ich glaube zumindest, dem sagt man so) und besucht per sofort den Kindergarten. Und ich bin unweigerlich per sofort Mutter eines Kindergartenkinds.
Mein Hauptstress? Das Anfängersein.
Denn ich habe sowas von keine Ahnung, was die Tugenden und Pflichten einer Mutter eines Kindergartenkindes sind. Geschweige denn, was sie tunlichst unterlassen sollte.
Es begann bereits damit, dass die Kindergartenlehrerin erklärte, wie die Eltern dem Kind den Malschurz nähen könnten. Könnten. Innerlich drehten die Rädchen. Jetzt beginnt er also, der ‘Ernst des Lebens’. Ernster als noch beim ersten Mal ‘Erster Kindergartentag’ von vor 30 Jahren.
Denn ich wusste: Dies war nur die erste, offizielle Aufgabe von vielen. Es rumorte in meinem Herzchen. Und die typische Anfängerinnenangst kroch in mir hoch: Würde ich das schaffen? Und vor allem: Wie?
Denn Versagen lag schlicht nicht drin.
Schliesslich würde alles unweigerlich auf mein Kind zurückfallen. Also Looser-Mum-Image tunlichst vermeiden, genau so wie den knallgrünen Ikea-Malschurz («zu kurz, Plastik unpraktisch»).
Entsprechend stellten sich mir im Vorfeld 1001 Frage.
Was packt «man» in eine Znünibox (womit ich auch schon mal falsch gelegen hatte, immerhin habe ich jetzt eine Box)? Wie lange darf man sein Kind vor den Kindergarten begleiten? Sind fahrbare Untersätze erlaubt? Gibt es generell irgendwelche NoGos, die ich unwissentlich tun könnte? Welche Turnkleidung packen andere ihrem Kind ins Turnsäckli?
Überhaupt: Wie sieht so ein Turnsäckli aus?
Die wenigsten Antworten wusste ich. Und war unendlich dankbar für all jene «Back to school»-Corner in den Kaufhäusern, in denen die durchschnittliche Auswahl an Turnsäcken, etc. präsentiert wurde. Denn denken, das lag in den letzten zwei Wochen mit Dauerstress grad nicht so drin.
Abgesehen vom Turnsäckli-Zwischenhoch passierten mir trotz aller gedanklichen Vorüberlegungen dauernd Dinge, die nur nervösen Anfängerinnen – oder vielleicht noch leicht verpeilten Mütter – passieren.
Ich verlegte sämtliche Informationen zum Kindergartenstart und musste mir die per Whatsapp von einer weniger unbedarften Anfängerinnenmama nachschicken lassen. Nur um ein Beispiel zu nennen.
Umso stolzer war ich, als ich am Vorabend des Kindergartenstarts nochmals alle Unterlagen durchlas (jep, sie tauchten irgendwann irgendwo dann doch wieder auf), wie ein Profi eine Liste ins Handy tippte, was am nächsten Tag unbedingt alles mit in den Kindergarten musste. Und mich – etwas wehmütig, aber optimistisch – schlafen legte.
K1 war weniger wehmütig, sondern eher euphorisch. Wollte bereits um 4.30 Uhr zum Kindergarten marschieren. Und als ich mich irgendwann schlaftrunken erhob – es fühlte sich nach Nacht an -, fand ich das Kindergartenkind im Garten wieder. Beim Früh-Fussball.
Wir verdrückten also keine Tränchen, denn dazu blieb trotz des frühen Tagesstart keine Zeit. Läck mir, Frühstücken, drei Kinder fertig machen, zum Kindergarten spazieren (habe ich schon erwähnt, wir wohnen ziiiiemlich abgelegen, jedenfalls vom Kindergarten).
Es hat grad tout juste gereicht.
Da stand ich also. Mit dem Kindergartenkind, das sogleich in den Kindergarten rannte. Ich ihm nach. Mit K2 und K3 am Hosenbein. Entpackte all die Ware, die wir hatten mitbringen müssen. Beneidete die coolen Eltern der älteren Kindergartenkinder, denen beinahe etwas langweilig war. Und bemerkte schliesslich, dass ich die gestern getippte Telefon-Liste vielleicht doch noch hätte konsultieren sollen.
Die Finken! Scheisse! Die standen noch zuhause in der Garderobe, ready to take off.
Anfängerfehler.
«Geht schon», lächelte die Kindergartenlehrerin, während ich den selbstgekauften, aber fast wie selbstgenäht aussehenden Malschurz an den richtigen Haken hängte. «Geht schon», lächelte ich meinem Kind tapfer zu, das als einziges in dem ganzen riesigen Kinderkreis Socken statt Finken trug. Das Arme.
Ich fühlte mich genau so verpeilt, wie die fehlenden Finken vermuten liessen. Jonglierte zwischen Mutterstolz, motzigem, übermüdetem, zahnenden Babybruder und mitfiebernden Emotionen (würde das Kind den Kindergarten wirklich so cool nehmen, wie es den Anschein hatte?) hin und her.
Wieder zuhause – ohne K1 – vermisste ich das Kind sogleich. Fünf Jahre fast täglich ganztags und nun plötzlich offiziell mehrere Halbtage pro Woche weg. Das drückt etwas aufs Mutterherz.
Beim Abholen regnete es. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Regenkleidung für Kindergärteler stand auf keiner Liste. Also wartete ich mit der zu kleinen Regenjacke von vor dem Sommer auf das Ende des ersten Kindergartentages.
Ich war eine geschlagene Viertelstunde zu früh dran.
Fühlte mich einmal mehr wie die Anfängermutter, die ich war. Wusste, dass ich das sein durfte – versteckte mich aber trotzdem um die Ecke, bis ich nur noch zehn Minuten zu früh dran war.
K1 guckte ganz unglücklich, als er mich entdeckte. Und mein Mamaherz (bereits angeschlagen) pochte. Was war passiert?
«Was isch?», fragte ich beinahe panisch.
«Mama», K1 angesäuert, «warum kommst du mich abholen? Ich wollte alleine heim gehen!»
Nur Mütter wissen, wie eine solche Antwort gleichzeitig unendlich glücklich und unendlich traurig machen kann.
Mein kleines Kind wird gross.
Und ich mit ihm.
Bild: Cel Lisboa Unsplash
Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.