Wir standen im Ausland am Flughafen und mussten für die Einreise gefühlt unser gesamtes Leben vorstrippen. Ich sortierte Pässe, machte Angaben zu jedem Familienmitglied und fluchte leise vor mich hin. Neben mir stand ein junges Paar, auch aus der Schweiz. Nachdem sie mich eine Weile halb schockiert, halb amüsiert beobachtet hatten, fragte mich die Frau unverblümt:
«Warum? Warum vier Kinder?»
Ja, wie konnte es soweit kommen?
Mein Leben hat seinen Anfang in normalen Bahnen genommen. Ich bin eines von zwei Kindern, lebte in einem Reiheneinfamilienhaus, ging zur Schule, absolvierte den obligaten Welschlandaufenthalt, machte das KV bei der Swissair. Und dann ging ich für ein Auslandjahr nach Australien auf eine Ranch, die Ferienlager für Jugendliche anbietet. Dort lernte ich nicht nur Englisch, sondern auch ganz liebe Leute kennen. Denen war mein Liebesleben offensichtlich ein grosses Anliegen. Genauer gesagt, sie wollten mich mit dem einzigen Schweizer, den sie sonst noch kannten, verkuppeln. Der hatte nämlich im Jahr vor mir auch dort gearbeitet. Ich wusste nur, dass er ihn Bern lebt und Theologie studiert. Ein Pfarrer? Aus Bern? Thank you, next.
Dachte ich. Der Rest ist Geschichte, mein geordnetes Leben geriet ordentlich aus den Fugen.
Nach zwei Jahren Fernbeziehung und einem weiteren Auslandjahr von ihm, hatte ich genug von der Distanz. Obwohl jung, obwohl noch im Studium, haben wir geheiratet.
Für meinen Mann war klar: Irgendwann möchte er eine Grossfamilie haben. Eine eigene Fussballmannschaft sollte es werden.
Bei mir selber war der Kinderwunsch nicht dringlich vorhanden. Ich war als Jugendarbeiterin tätig und für mich war klar: wenn Kinder, dann würd ich sie am liebsten grad als Teenies fix fertig serviert bekommen. Ich war mit allen PMS-Symptomen vertraut, hatte aber noch nie eine Windel mit Inhalt live und «in natura» gesehen. Heute, eine Tochter mit ersten vorpubertären Anzeichen später, kann ich darüber nur noch lauthals raus lachen.
Dann, plötzlich nach unserer Heirat, kam der Kinderwunsch wie angeschossen und ein Baby musste her! Sofort. Da war dann «Mr. 12- Kinder-müssens-sein» mal kurzerhand überfordert, aber hat schliesslich eingewilligt, dass wir ES probieren, auch wenn er noch mitten im Studienabschluss war.
Heute weiss ich: Es ist überhaupt nicht selbstverständlich, dass ich kurz darauf tatsächlich schwanger wurde. Und neun Monate später ein gesundes Kind zur Welt bringen durfte. Unsere Kleine war ein totales Einsteiger-Baby. Essen, zufrieden Glucksen, Schlafen, Repeat. Für uns war klar: Von den Exemplaren wollen wir noch mehr. Am besten gleich in einem Zug, dann ist das Kleinkind-Business auch mal wieder vorbei. Nach dem Motto: Kurz aber heftig. Wobei wir das «heftig» klassisch unterschätzt haben. Im Abstand von 21 und nochmals 15 Monaten folgten K2 und K3, also drei Kids innerhalb von drei Jahren. Auch sie im Grossen und Ganzen pflegeleicht. Aber saumässig aktiv.
Drei so kleine Kinder laugen aus. Und das bezieh ich nicht nur auf meine Brüste.
Ich kam vermehrt an meine Grenzen, hatte das Gefühl, dass ich nicht allen und allem so gerecht werde, wie ich das gerne würde.
Ich musste ich mir eingestehen: Vier Kinder sind mir zu viel, das schaffe ich nicht. Ich habe hohe Ansprüche an mich als Mami und daran, wie ich Familie leben und gestalten möchte und wusste, mit vier Kindern gelingt das erst recht nicht mehr.
Da hab ich die Rechnung allerdings ohne die natürliche Verhütungsmethode gemacht. Ich wurde nochmals schwanger. Warum sich K4 gegen alle anderen Spermien durchgesetzt hat, wurde schnell klar. Ohne grosse Erklärungen abzugeben. Freunde von uns haben ihr nach zwei gemeinsamen Tagen den Übernamen «Hurricane» gegeben…
Ich war (bin) oft überfordert. Kriege Hausfrau, Mami, Ehefrau, aktive Pfarrfrau und Freundin sein sowie meine nebenberufliche Ausbildung zur psychosozialen Beraterin, nicht immer unter einen Hut.
Muss viele Ansprüche ein paar Stufen tiefer legen. Oder grad ganz begraben.
Meine Kinder sind laut. Lebendig. Aktiv. Energiegeladen. Auf meinen Mann treffen all diese Attribute ebenfalls zu. Und ich? Ich werde gezwungenermassen gelassener. Ebenfalls lauter. Lernte fliessend Ironisch sprechen. Und realisiere immer wieder: Ich liebe meine kleine, wilde Gang und das verrückte Leben mit ihnen! Ich liebe es, dass sie mich aus meiner Komfortzone katapultiert haben. Und ich liebe Koffein.