«Wie geht es dir?»
Eine einfache Frage. Dennoch sschwierig zu beantworten. Denn: Ich weiss es ehrlich gesagt grad selbst nicht.
Die vergangenen zwei Wochen waren so turbulent, wie kaum Wochen zuvor in meiner Mama-Karriere.
Und die dauert doch immerhin schon mehr als zwölf Jahre.
Aber manchmal prasseln Momente, Gedanken, Gefühle und Ereignisse in ihrer gesamten Fülle unkontrolliert und in ihrer vollen Wucht auf einmal über einen nieder. Etwa so wie ein Sturmgewitter, die es bei uns in der Zentralschweiz regelmässig gibt. Kurz, aber heftig. Ist es vorbei, muss ich im Garten zuerst mal schauen, ob noch alles an seinem Platz ist.
Da bin ich jetzt. Nach dem Gewitter. Mich wieder am Orientieren und Sortieren. Das braucht wohl eine Weile.
Wir hatten Corona. Präziser: Meine Kinder hatten Corona. A-L-L-E V-I-E-R!
Nicht so schlimm, könnte man meinen.
Aber wie oft kommt der Sturm meist dann, wenn es eben gerade nicht in den Plan passt. Gut, ok, Corona passt grundsätzlich nie in den Plan.
Aber vielleicht hätte es etwas besser gepasst, wenn mein Mann nicht gerade im Ausland gewesen und der Monat nicht eh schon vollgepackt gewesen wäre mit Terminen und Deadlines. Ich nicht eh schon das Gefühl gehabt hätte, meinen Kindern nicht gerecht zu werden, weil wir wieder einmal zu viel in unser Leben gepackt haben.
Aber wenn es stürmt, dann stürmt es eben.
Wenn man eine Zeit lang als Familie gezwungen ist, so nahe aufeinander zu sitzen und dabei keine grossen Berührungspunkte mit der Aussenwelt hat, dann wird im Schönen und im nicht so Schönen ungebrochen bewusst, was man aneinander hat.
Grundsätzlich besteht meine Familie ja aus Menschen die ich A) entweder ausgewählt, oder B) mitproduziert habe. Gute Grundvoraussetzungen.
Und viel vorhandene Liebe. Aber das bewahrt einen nicht davor, dass man sich gehörig auf die Nerven gehen kann. Und eine Pause bräuchte.
Da unsere Kinder bereits alle schulpflichtig sind, ist auch ihr Charakter schon ziemlich entwickelt. Heisst: Jede/r hat Bedürfnisse. Und kann die ziemlich ausgeklügelt formulieren. Jede/r hat Trigger-Punkte, die sie/ihn zum Explodieren bringen. Und jede/r hat Verhaltensweisen, die beim jeweiligen Gegenüber dasselbe auslösen.
Eine nicht immer so harmonische Mischung. Die es auszuhalten gilt.
Und mittendrin ich, als Mami. Selbsternannter Fels in diesem Sturm. Der gerade gehörig bröckelt.
Ich ringe mit der Situation.
Damit, dass die Pandemie nun stillschweigend auf den Kindern ausgetragen wird. Was ich nicht ok finde. Da ich nun mitbetroffen bin. Und: I mag eifach nümm!
Ich ringe mit meinen Emotionen.
Grundsätzlich bin ich ein ausgeglichener Mensch, doch fällt mir genau das gerade unendlich schwer. Nicht hässig zu werden über Umstände, die dazu beitragen, dass meine Kinder nun krank wurden. Dass dies Konsequenzen hat für so viele Familien, die in Quarantäne müssen. Für Kinder, die teils tagelang alleine zu Hause sein müssen, da Eltern nicht frei nehmen können. Für Arbeitgeber, die wiederum auf Arbeitskräfte verzichten müssen und am Limit laufen. Für Lehrpersonen, die seit Monaten Mehraufwand betreiben.
Ich weiss, es ist niemandem geholfen, wenn ich auch noch mithässele. Und meine schlechte Stimmung gegen aussen trage. Aber in mir drin ist ein Klumpen. Eine Not. Und die nagt an mir.
Ich ringe mit den Kindern.
Die, wenn ich es mir genau überlege, grandios sind. Die sich reinschicken. Annehmen. Gefühle zeigen. Streiten. Spielen. Sich gerne haben. Gamen. Kreativ sind. Mich erfüllen.
Und mich dennoch immer wieder zur Weissglut treiben.
Was jedoch mehr mit mir zu tun hat.
Ich ringe mit mir selber.
Warum kann ich nicht gelassen anerkennen, wie gut es meine Kinder machen? Warum sage ich ihnen nicht öfters, wie stolz ich auf sie bin? Was richte ich in ihnen an, wenn ich so schlecht drauf bin?
Weshalb nutze ich nicht einfach die Chance und gestalte mit ihnen eine tolle Zeit?
Weil ich Mensch bin.
Weil ich überfordert bin mit der gesamten Situation. Weil ich traurig bin, dass wir als Gesellschaft Krise nicht können.
Weil ich auch Bedürfnisse habe, die gerade überhaupt nicht gestillt sind.
Und weil ich offensichtlich nicht geübt bin, auszuhalten.
Und dann doch das Wissen: Nach dem Sturm kommt die Sonne wieder. Vielleicht bricht sie zuerst nur ganz fein durch die Wolken hindurch. Aber sie ist da. Und wärmt. Ich bin nicht alleine. Da sind Menschen die mittragen. Denen es ähnlich geht. Da ist Hoffnung. Da ist ein Netz, das trägt.
Wie es mir geht? Es muss. Und darf. Und wird wieder.
Janine Oesch (36) liebt ihre quirlige Gang, bestehend aus Mann und vier Kindern und einer nicht ganz bedürfnisbefreiten Katze, die das Leben freudiger, bunter, chaotischer und gestresster machen. Wurde zum Glück als Überlebenshilfe für den Alltag mit einer guten Prise Ironie und Gelassenheit ausgerüstet.
Hallo Janine. Ich bin da ganz bei dir. Nach viereinhalb Wochen Quarantäne/Isolation mit vier Jungs in einer Wohnung ohne Garten verstehe ich dich total gut. Für uns kam die schwierige Zeit erst nach der Quarantäne, in der wir die Überdosis an Nähe und Familie verarbeiten mussten. Viel Power und Nervenstärke dir weiterhin!!