Ich hab ein Ass im Ärmel: K3.
Wenn ich erwähne, dass die Nummerierung meiner Kinder bis drei geht, bin ich in Fragen aller Art jeglicher Kritik erhaben.
«Drei Kinder», denken sich die Leute, «die weiss wovon sie spricht.»
Bereits im Wochenbett mit K3 hörte ich den Satz «…aber was erzähle ich dir da.» Übersetzt: Du weisst ja allerbestens, wie was wo.
Schön wär’s.
Das ist ungefähr das erste, was mir als Dreifachmama aufgefallen ist: Kinder sind immer wieder neu. Immer wieder anders. Und ich? Ich bin immer noch Anfängerin darin, sie kennen zu lernen und zu begleiten.
Mit jedem Kind und in jeder Phase sind andere Skills von mir gefordert, die ich mir teilweise angeeignet habe. Häufig jedoch nicht.
Leider hat sich also mit dem dritten Kind kein Profilevel im Mamasein eingestellt. Noch immer gibt es Momente, in denen ich völlig überfordert in einem der Kinderzimmer sitze und heulen könnte (oder heule). Momente, in denen ich mir wünschte, es gäbe einen, der die Familiensache vor Ort besser im Griff hätte als ich.
«Sorry, muess mal ufs WC, übernimmst du, gell? Merciii…»
Hach, ich wünschte, ich hätte so einen.
Nicht einfach einen. Sondern MEINEN.
Meinen ganz persönlichen Mamaratgeber.
Gestern beispielsweise, hat das Baby den ganzen Tag geweint, gejammert und gemotzt. Zudem hatte es leicht fiebrige Augen, bei nicht-fiebriger Körpertemperatur.
Was soll das? Was ist los? Muss ich was tun?
Zugegeben, beim dritten Kind springt die Panik bei nicht alltäglichen Vorkommnissen nicht gleich sprungartig auf 120. Sie kriecht und schleicht. Been there, done that. Das hilft. Wirklich. Manchmal ist bereits alles wieder gut oder klar, bevor man wie bei K1 noch, panisch im Wartezimmer des Kinderarztes sitzt.
Man spart. Geld, Zeit und Nerven.
Aber die Verantwortung für Entscheide und den Handlungszwang, das nimmt einem keiner ab.
Beispiel. Das Kind will partout nicht so wie ich. Muss ich jetzt durchgreifen oder kann ich die Dinge laufen lassen?
Temperaturen. Was frage ich mich beinahe täglich: Haben sie schon kalt oder ist ihnen womöglich zu heiss?
Mein persönlicher Mamaratgeber wüsste das.
Denn im Gegensatz zu mir wäre er Experte. Keine anonyme Nummer im Internet, die ihr Wissen aus dem durchschnittlichen Verhalten aller Kinder zusammengetragen hat. Und irgendwas faselt von Phase und zuwarten und normal und könnte sein und könnte aber auch nicht sein.
Mein Mamacoach wäre kein Konjunktiv, sondern ein Experte. Für MEINE Kinder.
Und als solcher mein Privatcoach. Einer, der Tag und Nacht praktisch unsichtbar mitläuft. Er sieht nicht nur alles, er weiss auch alles.
Er sieht die Zähne, wenn sie noch irgendwo im Zahnfleisch eingegraben auf Babys Stimmung drücken. Und flüstert mir leise zu: «Die Zähne, meine Liebe, es sind nur die Zähne.»
Es zu wissen und nicht bloss zu glauben – das ist ein Unterschied!
Der Mamaratgeber kann den CRP-Wert im Blut durch blosses Hinsehen bestimmen und weiss, ob ein Kinderarztbesuch Sinn macht oder ob wir bereits über den Berg sind nur noch ein, zwei Tage durchseuchen müssen.
Er hat ein untrügliches Gespür für trotziges Gebarden und weiss – im Gegensatz zu mir – genau, ob jetzt Not am Kind oder Trotz im Grind ist.
Er weiss, dass Erziehen grad nicht angesagt ist und übertönt das Gebrüll der Kinder: «Essen!!! Gib ihnen was zu essen!» Noch bevor mein zugedröhntes Gehirn ebenfalls diesen Schluss zieht oder mal einen Testlauf mit einem trockenen Reiscracker startet.
Hach, was wäre mein Leben um ein Vielfaches angenehmer.
Keine unzähligen Fragezeichen mehr. Auf die ich entweder eine Antwort finden muss, die dann auch nicht immer richtig ausfällt. Oder die ich so lange ignoriere, bis sie entweder verschwinden oder sich so aufdrängen, dass ich nicht umhin komme, einige Testläufe für die Antwortfindung zu unternehmen.
Der persönliche Elterncoach verwandelt mit viel Weisheit und Behutsamkeit alle Fragezeichen in Ausrufezeichen. Oder Punkte. Oder besser noch: Gedankenstriche.
Ich kann atmen. Durchatmen.
Weil dieser riesige Berg an Unsicherheit aus meinem Herzchen verschwunden wäre.
Klarer Kopf, klare Handlungen, klare Ergebnisse. Wem geht’s nicht besser, wenn statt Chaos Ordnung herrscht?
Mir jedenfalls schon.
Und weil dieser Elternratgeber nicht existiert. Weil ich ständig dazu genötigt werde, Entscheidungen zu treffen, für die ich mich nicht kompetent genug fühle. Für die ich zu wenig recherchiert, zu wenig Wissen und Fakten habe. Die ich nur aus dem Bauch heraus treffen kann, aber immer mit dieser riesigen Prozentzahl im Hinterkopf, dass sie nicht adäquat genug sein könnte.
Weil’s niemandem gibt, dem ich die Endverantwortung für meine Kinder abdelegieren kann, fühle ich mich als Mama meiner Kinder zuweilen ganz schön einsam.
Keine Angst, es existiert ein Vater. Aber der hat leider genauso viele Fragezeichen wie ich.
Manchmal ist das schön und fühlt sich weniger einsam an. Manchmal sind wir eher wie zwei Blinde, die einen Elefanten ertasten und obwohl wir am selben dran sind, führen unsere unterschiedlichen Sichtweisen der Dinge nicht selten zu mehr Diskussionen als zu Antworten, was wir denn nun als Eltern tun und wie wir es tun sollten.
Ich will nicht herumprobieren, ich will vor allem keine Unsicherheiten.
Ich will Expertin sein. Jederzeit wissen, was zu tun und zu lassen ist.
Doch ich schwimme.
Täglich. Und es gibt nur etwas, was ich mir mit K3 noch mehr angeeignet habe als zuvor.
Gelassenheit.
Kinder zu haben ist vergleichbar mit dem Meer.
Manchmal stürmisch, manchmal überwältigend, manchmal spiegelglatt, manchmal schlicht wunder wunder schön. Zuweilen aufwühlend, aufbrausend. Man kann den Wassermassen nicht entgegentreten. Den Lauf der Wellen nicht ändern. Doch man lernt jede Facette davon zu lieben. Anzunehmen. Und vermisst sie, wenn sie sich verabschiedet.
Es ist die Grösse der Aufgabe, die einen ehrfürchtig werden lässt. Und ruhig. Man wird sie nicht bewältigen können. Nicht so, wie es angemessen wäre.
Aber man kann sie fühlen.
Durchleben.
Annehmen und loslassen.
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Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.