Von Dingen, die mir heilig sind

Es gibt in diesem Haushalt nicht mehr viel, was mir heilig ist. Diese Bürste wäre es.

MEINE Haarbürste. Die ich mit niemandem teile.
Bis heute.

Da liegt sie. Inmitten schönfrisierter Barbies. Bereits bevor ich sie umdrehe, weiss ich, womit die Barbies schönfrisiert worden sind. «Mama, Lula hat noch nie sooooo schön ausgesehen», schwärmt das Kind.

Lula, das Barbiepferd.
Lula. Mit ihrer rosa Mähne, von der nun die Hälfte in meiner Haarbürste steckt. Anmutig steht sie im Kinderzimmer. Und ebenso anmutig bücke ich mich und nehme meine entheiligte Haarbürste wieder zu mir. Befreie sie sorgsam von Pferdehaaren.

Da ist kein Zorn. Keine Frustration. Vielleicht ein Hauch Resignation. Ein Hauch Lächeln.

Überlege kurz, die Bürste irgendwo zu verstecken. Lasse es dann aber bleiben. Haarbürsten, so stelle ich fest, sind mir doch nicht so heilig wie gedacht. Was nicht heisst, dass ich sie künftig freiwillig mit Barbies oder anderen Lebewesen teilen möchte. Was auch nicht heisst, dass ich immer aufgebe und alles von mir mit allen hier teilen werde.

Es gibt sie immer wieder, die kleinen Dinge, die ich mit Händen und Füssen gegen alle und alles verteidige. Weil es Dinge sind, die ich mir erhalten will. Die mir so wichtig sind, dass selbst die grösste aller Mutterlieben nicht ausreicht, mir etwas Grosszügigkeit zu entlocken.

Vielleicht, weil ich mich in ihnen spüre. Weil ich mich mir selber erhalten will. Weil sie einen Hinweis darauf sind, wer ich bin. Wenn ich sie anschaue, sehe ich mich, sehe meinen Platz in dieser Familie.

Meine Bücher. Meinen Kaffee mit Schaumherz. Mein Kopfkissen. Meine unantastbare Flasche pinkes Fanta im Kühlschrank. Wo ich am Esstisch sitze. Um einige zu nennen.

Und dann sind da Dinge, die ich teile. Mir dafür Grosszügigkeit aneigne, weil sie mich gelassener macht. Weil Gelassenheit das Leben leichter macht. Weil ich mein Leben teilen will. Und dieses Teilen zwar nicht immer da passiert, wo ich bereit bin dafür. Aber immer mit den Menschen, die mir die Liebsten sind. Wenn ich sie ansehe, sehe ich mich, sehe meinen Platz in der Familie. Meinen Platz in ihrem Herz, das sie grosszügig mit mir teilen.

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