«Ich komme nicht mit, das ist nur für Meitschi!», sagt der Sohn (5) und bestreikt den Frauenstreik.
Überhaupt. Meitschi sind doof. So doof, dass der Sohn aktuell kaum mit ihnen spielen will. Die erste Frage, wenn ich Besuch ankünde, ist: «Wie viele Jungs haben die?» Und die Freude nach dem mühseligen Fingerzählen: «Yesss, mehr Jungs als Mädchen.»
Das Alter. Ich weiss.
Immerhin hat er inzwischen herausgefunden, dass es auch Meitschi gibt, die gar nicht so übel sind. «Die kreischen nicht gleich, wenn wir kämpfen.»
Er mag starke Meitschi. Eigentlich. Und – was war ich stolz – ist mit seinen jungen Jahren sogar in der Lage, Konflikte mit ihnen auf Metaebene zu lösen.
Starke Mütter, starke Jungs.
Glaube ich zumindest. Hoffe ich.
Ich will nicht nur eine starke Tochter.
Dass meine Tochter stark sein muss, liegt auf der Hand. Mit gleichaltrigen Gymnasiasten musste ich darüber diskutieren, ob Frauen jetzt Karriere machen dürfen oder ob es nicht besser wäre, sie würden sich auf die Kindererziehung fokussieren. Mit über zwanzig musste ich mir dann anhören: «Wenn eine Frau studiert hat und nicht mindestens fünf Jahre auf dem Beruf arbeitet, bevor sie Kinder hat, schuldet sie dem Staat das Geld für diese Ausbildung». Oder jetzt – Ü30 – höre ich die Bezeichnung «Teilzeitmutti» als Schimpfwort für Frauen im Beruf, die diesen angeblich hobbymässig betreiben und deren Stelle man(n) eigentlich abschaffen könnte, da überflüssig.
Ich denke nicht, dass die Welt, in der meine Tochter aufwächst, eine andere ist als meine. Ich habe die Hoffnung, dass die Stimmen, die solche Sätze sagen, weniger werden. Und dass meine Jungs Stimmen sind, die einen anderen Ton anschlagen.
Wer, wenn nicht unsere Kinder, verändert die Gesellschaft?
Weshalb ich mich insgeheim manchmal feiere, wenn ich zu den Kindern sage «Ich muss arbeiten!». Weil ich meinen Kindern vorlebe, dass sowohl Männer wie Frauen Geld verdienen können. Was lange nicht die Norm war. Weil ich mir meine Teilzeitarbeit erkämpfe. Denn sie kostet mich und uns. Familie und Beruf zu kombinieren ist sowohl für Männer wie Frauen grenzwertig. Die Grenzen zwischen wirtschaftlicher Arbeit und hauswirtschaftlicher Arbeit sind bei einer gleichberechtigten Beziehung, in der beide in beiden Domänen tätig sind, oft so verwischt, dass mann und frau konstant am Arbeiten sind.
Ich arbeite nicht aus Prinzip oder um meinen Kindern damit etwas zu demonstrieren in der Wirtschaft. Ich arbeite primär aus Freude an meiner Arbeit.
Und ich fühle mich unheimlich privilegiert, dass dies möglich ist – weil vor nicht allzu langer Zeit Frauen (die heute noch leben, so lange ist das noch nicht her) dafür gesorgt haben, dass eine Ehebeziehung gleichberechtigt ist. Dass kein Ehemann darüber bestimmen darf, was und ob eine Frau arbeiten kann oder nicht.
Meine Jungs dürfen Meitschi doof finden. Noch dürfen sie auch den Playmobil-Männern das Portemonnaie in die Hand drücken und sie für ihre Playmobil-Frauen schöne Kleider kaufen lassen (say what?!? Woher kommt das denn?).
Aber sie sollen einmal Männer werden, die sich wagen, beim Vorstellungsgespräch eine Teilzeitanstellung zu fordern, wenn das nötig ist für die familiäre Situation zuhause. Sie sollen Männer werden, die den Mental Load der/ihrer Frauen sehen, verstehen und mittragen. Männer, die wegen starken Frauen nicht gleich einen Schrumpfschwanz kriegen. Sondern in der Lage sind, diese Stärke wertzuschätzen. Sie sollen Männer werden, denen die Unterschiedlichkeit der Geschlechter bewusst ist – dieses Bewusstsein der Unterschiedlichkeit aber nicht in Wertung mündet.
Gleichberechtigung hat viel damit zu tun, wie man(n) sich sieht.
Nur Männer (Menschen), die selber stark sind. Die um ihre Stärke wissen. Sind in der Lage, starken Menschen zu begegnen, ohne sie klein zu machen. Und schwachen Menschen zu begegnen und sie grösser zu machen.
Mein Wunsch für jedes meiner Kinder, unabhängig vom Geschlecht, ist, dass sie starke Menschen sind. Die wissen, dass sie um ihrer Selbst willen geliebt sind und nicht aufgrund ihrer Leistung. Die sich ihre Bestätigung nicht bei anderen oder über Statussymbole holen. Die sich wertvoll fühlen, ohne dafür andere abwerten zu müssen. Die sich nicht in einen Vergleich setzen und mit ihren Mitmenschen konkurrenzieren – sondern ihre Fähigkeiten, Leidenschaften und Begabungen ausschöpfen dort, wo sie sind. Und nicht dort, wo ich oder ‚die Gesellschaft‘ sie haben möchte. Dass sie Menschen sind, die zufrieden sind mit sich und dem, was sie machen.
Wir können an vielen Orten ansetzen, Gleichberechtigung zu fördern und zu leben. Ein Ort, an dem dies allen Eltern möglich ist, sind ihre Familie. Ihre Kinder.
Es ist die Liebe und Freude an ihnen. Die Entspanntheit bezüglich ihren Fähigkeiten (oder nicht vorhandenen Fähigkeiten). Die Offenheit, Fehler zuzulassen und zu ertragen. Von den Kindern, sich selber und dem Partner. Es ist das Vorleben einer Beziehung, in der sich beide um liebevollen, wertschätzenden Umgang bemühen. In der beide Verantwortung und Arbeiten übernehmen. Bereit sind, Opfer zu bringen füreinander und für die Familie – und das, ohne dafür Bestätigung und Lob zu fordern.
Der Frauenstreik ist ein Ausdruck meiner inneren Haltung. Um die ich nicht nur an diesem Tag, sondern täglich kämpfe. Nur so, glaube ich, werde ich meinen Kindern das weitergeben können, was ich mir für die Gesellschaft wünsche:
Dass Gleichberechtigung nicht auf Papier festgehalten werden muss, sondern im Umgang miteinander stattfindet.
PS: Immerhin haben dann die Playmobil-Frauen ihren Playmobil-Männern im Gegenzug Surfbretter gekauft. Mit dem Geld aus dem Portemonnaie der Männer…
Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.
Starke Worte – danke!
Zitat: „Männer, die wegen starken Frauen nicht gleich einen Schrumpfschwanz kriegen. Sondern in der Lage sind, diese Stärke wertzuschätzen. Sie sollen Männer werden, denen die Unterschiedlichkeit der Geschlechter bewusst ist – dieses Bewusstsein der Unterschiedlichkeit aber nicht in Wertung mündet.“
Das gefällt mir! Inkl. der leidenschaftlichen Wortwahl.
Ich glaube, ich habe diesbezüglich vor ca. 16 Jahren einiges von dir gelernt….