Es hat sich ausgejöht – wenn das Kind ein Teenager wird

«Mama, du chonsch wörkli überhaupt ned drus oder? Ich ha no nie en Mönsch gseh met somene Gsicht! Ich mein, wo mer wörkli direkt am Gsicht a merkt, dass er überhaupt kei Ahnig vom Läbe hed.»

Teenager sind bei Mamas Unplugged aktuell eine Rarität. Wir sind eher so Level Threenager. Was passiert, wenn aus dem niedlichen (Klein-)Kind ein Teenager wird und all die Jöh-Faktoren des Kinderalters verschwinden? Gastautorin Sabrina Forrer weiss seit neustem sehr genau, wie sich das anfühlt.

Ich habe nun offiziell einen Teenager daheim. Und er macht diesem Namen seit geraumer Zeit alle Ehre. Er hat bereits sämtliche Schreckensszenarien, die in meinem mütterlichen Gehirn beim Wort «Teenager» aufploppen, bedient. Meist noch ein Supplement on the top.

Nicht, dass mich jemand falsch versteht: Ich liebe dieses Kind. Aber es nervt mich auch gewaltig.

Wahrscheinlich tat es das schon immer. Aber es war einfach zu herzig, als dass dieses Gefühl hätte Überhand gewinnen können. Ich sag es euch, diese hübschen Augenblinker auf braunem Seidenteint. Dieses Kussmündchen. Das Stupsnäschen. Umrahmt von einer engelsgleichen, blumig duftenden Haarpracht. Selbstredend hatte er seinen Augenaufschlag bis zur Perfektion eingeübt. Dieses Kind verfügte über sämtliche kindliche Kriegsführungsregister. Und es war auch nie müde, jedes einzelne davon zu ziehen.

Nun hat es sich ausgejööht!

Mit Anbruch der Adoleszenz schwand sein Niedlichkeitsfaktor von Tag zu Tag. Und dessen Entschwinden richtet meine mütterliche Geduld zu Grunde. Denn nun werden die durchaus unsympathischen Charaktereigenschaften nicht mehr von zuckersüssen Kleinkindattributen überlagert. Sondern von ziemlich nervenaufreibender Teenagerattitute unterstrichen. Wer einen Jugendlichen daheim hat, weiss wovon ich spreche. Es sind Dinge, für die er nichts kann, die aber trotzdem irgendwie nerven. Zum Beispiel der Stimmbruch. Oder dieser unschöne Oberlippenflaum. Oder Pickel. Hinzu kommt aber auch eine Reihe Dinge, für die er unbedingt etwas kann. Mein Sohn pflegt sich nun etwas anders auszudrücken, ganz in jugendlicher Manier eben – nennen wir es «kreative Abgrenzung im Bereich Linguistik». Einigermassen sprachaffinen Eltern geht dieser Faktor sowas von auf den Sack. Des Weiteren riecht er nun so mittelgut. Und duscht momentan auch nur mittelgern. Keine feine Mischung. Da bin ich aber guter Dinge. Denn sobald ein hübsches Mädchen seinen Schulweg kreuzt, wird sich das von alleine regeln.

Was aber gewiss noch ein Weilchen anhalten wird, ist sein Schandmaul. Neuerdings ist er nämlich frech. Und ich mein: Wirklich! Frech! So, dass mir hin und wieder der Mund offenbleibt. Neulich hat er mir etwas zu erklären versucht, es ging um ein gern gespieltes Game. Ich bin da nicht so der Hirsch, zugegeben. Aber ich habe Interesse gezeigt und nachgefragt, was ich nicht verstanden habe.

Da meinte er urplötzlich: «Mama, du chonsch wörkli überhaupt ned drus oder? Ich ha no nie en Mönsch gseh met somene Gsicht! Ich mein, wo mer wörkli direkt am Gsicht a merkt, dass er überhaupt kei Ahnig vom Läbe hed.»

Es mag lustig klingen. Aber er hat es nicht nett oder witzig gesagt, er wurde richtig böse und seine Abscheu mir gegenüber stand ihm gleichermassen ins Gesicht geschrieben, wie die Game-Einfältigkeit zuvor mir.

Nachdem er sich ausgelassen und mir noch ein paar solcher Tiraden an den Kopf geschleudert hat, verbarrikadierte er sich in seinem Zimmer. Schliesslich war er nun böse auf seine dumme Mutter. Es dauerte dann aber gerademal viereinhalb Minuten, ehe er wieder fröhlich pfeifend daherkam und mir beim Tischdecken half.

Die Metamorphose vom süssen Boy zum grantigen Teenie ist in vollem Gange. Was mir dabei hilft, cool zu bleiben, ist ein Mantra meiner Mutter zu meiner eigenen Teenagerzeit in den Neunzigern: «Ich habe IMMER einen Filter in den Ohren und höre nur, was ich hören will.»

Das scheint echt eine greifende Überlebensstrategie zu sein. Bei mir funktioniert es wirklich. Ich weiss, dass sein «du bist wirklich eine seltenblöde Mutter» nicht von Herzen kommt. Sondern vom Kopf, wo einfach gerade Grossbaustelle herrscht. Drum: Filter rein und die Sache ist halb so wild.

Ich glaube sogar, dass das Frechsein gewissermassen gesund ist. Für beide Seiten. Denn dieser Umstand sorgt dafür, dass das Kind seinen Eltern mit seinem Verhalten titanisch auf den Sender geht. Und auch das ist gesund. Satt werden sollen die Eltern von ihren Kindern und umgekehrt unbedingt auch die Kinder von ihren Eltern. Anders würde sich der Ablöseprozess vermutlich hinziehen. Und wer will schon einen 35-jährigen Sohn daheim wohnen haben, dessen Freundinnen allesamt den Wettstreit gegen die Schwiegermutti verlieren. Buäh, mich schaudert’s. Lieber ein frecher Lausebengel, der seinen eigenen Weg geht.

Natürlich gäbe es auch alternierende Szenarien. Nicht alle Kinder werden so frech. Und bis zu einem gewissen Grad haben das womöglich die Eltern auch in der Hand. Ich denke aber ehrlich, dass ein Kind unbedingt frech werden darf. Schliesslich wächst es gerade über sich selbst (und im besten Fall auch über die Eltern) hinaus. Wahrscheinlich tut das ein bisschen weh. Und einem Kind, dem die Zähne wachsen, verbieten wir das Schreien schliesslich auch nicht.

Notabene: An alle Eltern mit noch älteren Kindern, die jetzt im Geiste vermutlich nur müde lächeln und bei sich denken «die hat doch keine Ahnung» – Ich rechne damit, dass das Kind mir mit seinen dreizehn Jahren erst die lauwarme Vorspeise an jugendlicher Bredouille serviert hat. Schlimmer geht immer. Also anschnallen, Freunde! Die Reise geht weiter.

Bild: James Pond Unsplash

Teilen mit

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert