Ein Plädoyer für Sisterhood

Mütter, wir müssen reden. Übereinander. Also nicht so. Eben grad nicht über andere. Sondern über uns. Über dich und mich. Darüber, wie wir miteinander umgehen. Darüber, dass wir mit unserem Verhalten fast an die Trotzanfälle der Kleinen rankommen.

Nein, ich gründe keinen neuen Orden. Obwohl das natürlich durchaus seinen Reiz hätte… aber lass’ uns mal kurz zusammen überlegen, wie die Welt aussehen könnte, wenn…

… wenn Frauen einander gegenüber solidarisch sind. Zusammen halten.

Nicht im Sinne davon, dass wir uns gemeinsam GEGEN etwas verbünden (wie zum Beispiel gegen herumliegende Socken vom Göttergatten). Sondern, dass wir gemeinsam FÜR etwas einstehen.

Für uns.

Einander ermutigen und anfeuern. Miteinander unterwegs in diesem wilden Ritt, den Kinder grossziehen, Beziehung führen, arbeiten und Freundschaften pflegen mit sich bringt. Freude und Sorge teilen. Von Herzen. Sisterhood eben.

Klingt toll, oder?

Wollen wir!
Nehmen wir!
Machen wir?

Häufig nicht. Gerade das «von Herzen» fällt oft schwerer, als einem lieb ist.

In einem Moment gehen wir Frauen zusammen auf die Strasse und demonstrieren schwesterlich für unsere Rechte. Sind eine grosse Einheit. Im nächsten Moment setzen wir unsere Energie dafür ein, uns im Negativen gegen die anderen zu verbünden. Besser sein zu wollen als die andere. Cliquen zu bilden. Einander nur schwer etwas zu gönnen. Und zu vergleichen.

Wir treffen uns spontan im Supermarkt und sprechen über die, die in ihrer Erziehung auf andere Dinge Wert legen. Den Babyspeck noch rumschleppen. Über die, die in einer unglücklichen Beziehung sind oder deren Kinder in der Schule gerade etwas aus der Reihe tanzen.

«Häsch ghört…?»
Ich kann es nicht mehr hören.

Es gibt Dinge, die beschäftigen uns und die muss man irgendwo schnell loswerden. Die Grenze zum Lästern ist flüssig.

Aber wenn Personen mit mir so über andere reden, wie sprechen sie dann über mich, wenn ich nicht mit dabei bin? Kein schöner Gedanke. Und aus eigener Erfahrung auch kein schönes Gefühl, wenn man plötzlich merkt, dass man bei anderen Gesprächsthema war. Das verletzt und verunsichert. Hat zur Konsequenz, dass ich mich nicht mehr öffne. Nicht mehr vertraue. Dabei geht das verloren, was wir als Mütter eigentlich dringend brauchen: Tragfähige Freundschaften.

Trotzdem machen wir es alle.

Wir sollten aufhören, ÜBER andere zu reden und damit anfangen, MIT einander zu reden. 

Sisterhood verlangt auch, dass wir lernen, das Gute zu sagen.

«Kill ’em with kindness» wie Selena Gomez singt (sorry, ich habe weibliche Pre-Teens zu Hause).

Häufig sind wir überfordert von Komplimenten.

Bei jedem Kompliment schauen wir erstmals über unsere Schulter, ob nicht eigentlich jemand anderer damit gemeint sein könnte. Wenn man dann erkannt hat, dass es tatsächlich einem selbst gilt, wischt man einen Verlegenheitsspruch darüber. Weil es einem unangenehm ist und man schlecht mit einem positiven Feedback umgehen kann.

Dabei dürfte man sich doch freuen, wenn jemand findet, man sähe heute besonders gut aus. «Own it!», würde der Ami sagen.

Sisterhood heisst für mich ausserdem, dass man sich von Herzen mit jemandem mitfreuen kann.

Einander etwas von Herzen gönnen, anstatt Missgunst mitschwingen zu lassen. Unsere eigenen Gefühle dafür in den Hintergrund stellen und zulassen, dass wir das Leben der anderen feiern.

Ich habe im Sommer einen neuen Job gekriegt. Juhuii. Yes! Ich hab mich echt superduper darüber gefreut. Die Freude wurde dann schnell ein wenig gedämpft, als ich gemerkt habe, dass bei diesen für mich gewaltigen Neuigkeiten nicht alle mit mir in die Luft springen. Und es hat mich ein bisschen traurig gemacht, zu spüren, dass ich meine Freude nicht mit allen teilen konnte. Mich schlussendlich sogar ein paarmal gedrückt habe, es zu erzählen. Das ist doch schade. Das ist nicht echt.

Und dann erinnerte ich mich aber daran, wie es für mich war, als die ersten von unseren Freunden damit begonnen hatten, Häuser zu kaufen.

Ich versuchte mich zwar wirklich mitzufreuen, aber irgendwie war manchmal die Stimme in mir drin, die das auch haben wollte, lauter.

Und ich habe es nicht so richtig geschafft, mich von ganzem Herzen auf die Freude einzulassen. Weil ich auch wollte. Weil ich mich verglichen habe. Weil meine eigene Geschichte, meine eigene Unzufriedenheit mir im Weg stand.

Mittlerweile habe ich gelernt. Mich und meine Möglichkeiten anzunehmen. Meistens. Mich damit versöhnt, dass es bei uns kein Eigenheim gibt. Dafür Reisen. Me cha nöd alles ha. Dann muss ich nämlich nicht eifersüchtig sein. Sondern kann wirklich mit anderen mitjubeln. Und spannenderweise erfüllt mich das auch.

Die Beziehungen, die für mich so richtig entspannt sind, sind die mit den Frauen, von denen ich merke, dass sie ok sind mit sich.

Die sich annehmen mit ihren Ecken und Kanten. Die auch mal über sich lachen können. Die nicht perfekt sein müssen. Die mit mir weinen, wenn etwas nicht ok ist. Die mir aber auch von Herzen zuprosten, wenn mir etwas gelungen ist. Das ist für mich Sisterhood. Und ich glaube, wir brauchen mehr davon.

Zu Sisterhood gehört für mich Ehrlichkeit, Annahme, Wertschätzung und Leben teilen.

Mein Wunsch? Freuen wir uns von Herzen mit, wenn jemand anders erfolgreich ist. Stellen wir unsere eigenen Bedürfnisse dafür auch mal kurz in den Hintergrund und lassen zu, dass jemand anders abgefeiert wird. Zeigen wir Anteilnahme, auch im Guten.

Bieten wir im Alltag unsere Hilfe an, wenn wir sehen, dass jemand in der Scheisse sitzt. Auch dann, wenn die Scheisse selbstgemacht ist.

Seien wir die Freundin, die wir selber haben möchten.
Es ist ok, wenn wir einander brauchen. Sisterhood!

Bild: Priscilla du Preez Unsplash

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