Du bist gerade erst Mama geworden und merkst, wie dir die coolen Felle davon schwimmen? Hast dir eigentlich vorgenommen, diese Sache mit Kind(ern) genau so anzupacken, wie alles, was du bisher gerockt hast? Mit Kompetenz und einem Plan.
Und jetzt sitzt du auf deinem stilvollen Stillsessel im Babyzimmer, den Tränen nahe und fragst dich, in welchem Film du hier eigentlich gelandet bist? Bist überwältigt vom meisten, verstehst immer weniger und (ver)zweifelst an vielem und vor allem an dir selber.
Willkommen in der Mutterschaft!
Leider gibt es an dieser Stelle keine wirklichen ‚Good News‘: Denn, so habe ich die Erfahrung gemacht, dieser Cocktail an Emotionen kommt mit dem Kinderhaben ungefragt mitgeliefert. Nicht immer sofort, nicht immer in derselben Intensität. Aber irgendwann stellt er sich ein – und wird höchstens für eine Phase oder zwei verschwinden, bevor er wieder in seiner ganzen Fülle auf dein Herz übergreift.
Auf den ersten Blick scheint nicht logisch zu sein, dass ganz viel Angst in diesen Unsicherheiten und oft widersprüchlichen Gefühlen enthalten ist. Obwohl sie sehr wahrscheinlich, wenn man das Ganze etwas auseinandernimmt, sogar eine Hauptrolle spielt.
Meist getarnt in Fragen wie «Was hat das Kind denn jetzt?», «Wieso funktioniert nicht, was ich tue?», «Was denken die anderen?» oder der Feststellung: «Ich bin ganz alleine».
Selbst Unsicherheit läuft am Ende auf die Angst heraus, Dinge nicht gut genug zu machen. Und was, wenn ich sie nicht gut, gut genug, mache?
Schliesslich hängt nicht einfach meine Reputation davon ab, sondern – worst case – das Leben meines Kindes. Oder die Chancen meines Kindes auf ein erfolgreiches (was auch immer das bedeuten soll, gell) Leben.
Diese Angst trieb und treibt mich an. Nach wie vor bin ich ihr hörig.
Natürlich verändert sie sich. Von der Frage, wie ich ein Baby optimal versorge (Milchbeschaffenheit, Kleiderwahl, Erkennen von Wein-Gründen und Ähnlichem), über die Frage, ob mein Kind die Entwicklungsschritte auch ordentlich und bitte doch bisschen überdurchschnittlich durchläuft, weiter zu guten und schlechten Sozialkontakten, der sinnvollen und zukunftssichernden Freizeitgestaltung, der Wahl der weiterführenden Schulen oder des Berufs… – alle Abwägungen sind begleitet von Angst.
Und im Kern bleibt sie dieselbe.
Stets springe ich – vom Ausgangspunkt – in die Zukunft. Was, wenn ich jetzt falsch entscheide?
Ja, was?
Genauso, wie sich der Inhalt der mütterlichen Angst ändert, ändert sich auch mein Umgang mit ihr.
Ein wenig gewöhnt man sich daran. Dass die Verantwortung, die Elternsein mit sich bringt, auch die Last des Sich-Sorgens beinhaltet. Dass mit dieser Möglichkeit, die einem ein Kind schenkt, ein Wesen umfassend und von Grund auf lieben zu dürfen. Es umsorgen und beschenken zu dürfen, überhäufen zu wollen mit allem erdenklich Guten, wozu wir in der Lage sind. Dass damit auch einhergeht, dass wir das nicht nur dürfen, sondern auch müssen. Dass – wenn wir Dinge nicht gut machen – nicht gleich eine zweite Mutter oder ein zweiter Vater nachrückt, die unsere Beziehungskomponente mit dem Kind ausfüllen könnten.
Dass wir die einzige Mutter sind, die das Kind hat.
Manchmal ist mir das zu gross.
Insbesondere, wenn die Antworten auf neue Fragen, die sich mir stellen, nicht auf der Hand liegen.
Dann fühlt es sich noch immer an wie in diesen ersten Mutterschaftsmomenten.
Doch mit jeder Entscheidung, die ich bewusst oder unbewusst getroffen habe. Deren Konsequenzen ich erfahren habe. Lernte ich einerseits, was gute Entscheidungen sind. Andererseits aber auch, dass ich auch die Konsequenzen von weniger guten Entscheidungen tragen kann.
Ich habe dem Kind die Jacke nicht angezogen, es wurde krank. Wir haben drei, vier Nächte schlechter geschlafen.
Ich habe die soziale Situation falsch eingeschätzt, das Kind hat emotional gelitten. Wir haben viel dazu ausgetauscht, ich habe getröstet, wir haben Lösungen gesucht.
Die Angst geht nicht weg.
Die Option, eine nicht optimale Entscheidung zu treffen, ebenfalls nicht.
Aber was ebenfalls nicht weg geht, bin ich.
Ich bin da. In den guten wie in den schlechten Entscheidungen.
Und ich habe gelernt: Ich kann das. Ich kann vieles. Mehr, als ich mir anfangs zugetraut hätte.
Muttersein kann man nicht lernen. Entscheidungen, die für uns gut waren, sind nicht für alle gut. Muttersein muss man erfahren, muss man leben.
Je länger ich Mama bin, umso mehr kann ich aus diesem ‚Auf-sich-Zurückgeworfen-Sein‘ schöpfen. Was nach wie vor eine Last sein kann, ist auch eine Ressource. Weil mein Horizont dadurch ungleich grösser geworden ist. Weil ich viel mehr Kompetenzen habe, auf der Basis deren ich Entscheidungen treffen kann. Weil ich weiss, wie viel ich tragen kann – und wo meine Grenzen sind.
Angst kann einengen. Wenn man sie lässt.
Angst kann aber auch antreiben. Mich treibt sie an, mein Wissen zu erweitern. Meine Entscheidungen zu reflektieren. Aus Konsequenzen zu lernen. Mehr Schritte zu gehen, als ich wollen würde und Neues zu entdecken.
Angst kann loslassen helfen.
Ich habe in den letzten acht Jahren gelernt, ganz viel loszulassen. Vorstellungen, wie ich denn sein würde.
Vorstellungen, wie meine Kinder sein würden.
Vorstellungen, wie «es» sein müsste.
Du bist gerade erst Mama geworden. Sitzt tatsächlich in diesem Stillsessel und die coolen Felle schwimmen dahin: Lass sie ziehen. Sie gehören nicht zu dir.
Sondern nur zu einer Vorstellung, die du dir von dir gemacht hast.
Oder die andere von dir haben.
Angst ist pur.
Die Konfrontation mit einer Aufgabe, die zu gross scheint und die Kapitulation vor ihr, bringen etwas zum Vorschein, was ich so nicht erwartet habe:
‚The real me‘.
Ich, ungeschönt.
Etwas, wovor ich mich fürchtete. Weil verletzlich. Weil anders als erwartet, anders als von anderen erwartet.
Aber erst, indem ich verstanden habe, dass dieses Auf-sich-selber-zurückgeworfen-Werden nicht nur überfordernd ist, sondern auch Handlungsoption. Dass ich – wenn ich gezwungen werde, Entscheidungen zu treffen und damit zu leben – diejenige bin, welche mich selber immer wieder lieben muss darin.
Erst darin habe ich Frieden schliessen können mit der Angst.
Und ich habe sie losgelassen.
Lasse sie immer wieder los.
Vertraue darauf, dass das Leben zu gross ist für mich. Aber trotzdem funktioniert.
Vertraue meinen Kindern.
Vertraue auf mich und darauf, dass ich alles habe, was ich brauche, um mit mir als Mutter klar zu kommen. Gute Entscheidungen zu treffen. Deren Konsequenzen zu tragen (und wenn nicht, habe ich Menschen, die mir dabei helfen).
Und ich lerne, mich in diesem Durcheinander, mich in meinen Ängsten, in meinem pursten Sein zu lieben und mich leben zu lassen.
Bild: Jordan Whitt
Hat nicht nur den Master in Psychologie. Sondern ist auch Master im Desaster, was ihr als Aufsichtsperson von vier Kindern sehr gelegen kommt. War mal Journalistin in Zürich, jetzt ist sie freischaffende Mutter in Bern.