Bye bye love
Bye bye sweet caress
Hello emptiness
I feel like I could die
Bye bye my love goodbye
There goes my baby with someone new
She sure looks happy, I sure am blue
… und so weiter…
The Everly Brother mit Bye Bye Love
Genau dieses Lied spukt in Muttis Kopf herum als die kleine Grosse, grosse Kleine zum zweiten Kindergartentag antritt. Warum erst beim Zweiten? Na, beim ersten durfte Mutti sie noch begleiten, vor den Kindergarten bringen und auch wieder abholen. Aber am Zweiten. Am Zweiten wird sie abgeholt vom Schulbus. Und Mutti muss das Kind ziehen lassen.
Das Kind, das etwas verunsichert lächelnd im Bus sitzt, das nicht so genau weiss, was denn jetzt passiert. Mutti ebenso.
Denn es ist das erstgeborene Kind, Mutti eigentlich eine taffe Frau und doch hat dieser Kindergarten-Start mehr ausgelöst als gedacht. Tränchen wurden knapp keine vergossen, aber Muttis Gedanken kreisten viel zu viel um ihr «Baby». Was macht es jetzt? Findet es den Weg? Wird es im Bus losheulen? Wir alles klappen, gut laufen, in Ordnung sein? Fragen über Fragen und Songtexte um Songtexte spuken durch Muttis Kopf.
Die Minuten vergehen, und Mutti studiert immer noch, macht sich Gedanken, fragt sich wie es dem Kind geht, was es wohl macht.
Mutti versucht entspannt die Zeit mit K2 zu geniessen und doch driftet sie immer wieder ab. Zu K1. Dem scheuen, sanftmütigen, zerbrechlichen, gutherzigen, ruhigen, sensiblen, barmherzigen, aufmerksamen, sanften, liebenswürdigen, zurückhaltenden Kind mit einem Herz aus Gold.
Dass genau dieses Kind aber auch ohne Ende quasselt, unbeherrschte Trotzanfälle hat und beängstigend laut werden kann und Mutti damit mehrmals die Woche auf 180 treibt, wird momentan ein bitzeli, also minim, also mega fest verdrängt.
Immerhin ist es K1, das Erstgeborene, alle Mama-Sein-erste-Male hat Mutti mit diesem engelsgleichen Teufelchen durch gemacht.
Stark, dynamisch, taff, unabhängig, souverän, cool, unnahbar. So war Mutti mal. Doch dank Schlafmangel, Hormonchaos, Babyduft, Familienbett, Tragen, end – und bedingungsloser Liebe und all den anderen Dingen, mit denen die Kinder sie verwöhnen, wurde sie wohl zum Weichei.
Was soll das? Tränchen verdrücken führt zu Dehydrierung, heisst schlechtere Haut. Das viele Nachdenken gibt Sorgenfalten. Das sieht alles nicht schön aus. Und da Mutti Angst vor Spritzen hat, ist Botox auch keine Lösung.
Die einzige Lösung ist Loslösung. Und Vertrauen. Vertrauen, dass alles gut kommt.
Vertrauen, dass das Kind selbstständig, selbstsicher und selbstbewusst genug ist, so wie Mutti es versucht vorzuleben.
Und wohl Gewöhnung.
Denn dieser Zustand wird der neue Alltag. Für K1, K2, Mutti, und Papa, der imfall auch ein bisschen wehmütig wurde. Und tatsächlich etwas Staub in die Augen gekriegt hat, in dem Moment, als K1 vom Bus abgeholt wird.
Wie ein Mann hat er sich den aufgewirbelten Staub schnell aus den Augen gewischt, damit er sich nicht im Auge sammelt und eine schlimme Infektion auslöst. Wäre ja auch blöd. Später war es dann doch die Sonne, die in stark geblendet hat, weswegen er sich die Augen fest zukneifen… und mit der Hand noch fester zusammendrücken musste.
Ja, diese Geschichte habe ich vernommen. Von der Mutter einer Kollegin, deren Freundin hat eine Cousine, deren Nichte hat ein Kind. Der ist das genau so passiert.
Mutti könnte auch ich sein, aber ich gebe Schwächen nur ungerne zu.
Rahel lebt mit Mann, Familie und Schweinen auf dem Land. Für ihre zwei Kinder hat sie High Heels, Minikleidchen und dazu passendes Täschli eingetauscht gegen Trekkingschuhe, Funktionskleidung und diverse Traghilfen und Tragetücher. Ob sie alles so meint, wie sie schreibt? Vielleicht…