Der Mitesser – Teil 1

Diesen Text haben wir extra für das digitale Food-Magazin für Eltern «Kids am Tisch» geschrieben (da war Nadine noch schwanger) – reinschauen lohnt sich 

Ich habe einen Mitesser. Nur einen, das reicht. Und nein, ich rede auch nicht von Pickeln, sondern von richtigen Mitessern. Solchen, die meine Nahrung mitessen. Ich bin schwanger.

Seit gefühlten zehn Monaten befindet sich ein Baby in meinem Bauch. ET ist ungefähr jetzt. Und obwohl ich mit der Geburt den Mitesser nicht automatisch loswerde, werden sich gewisse Dinge doch wieder vereinfachen, wenn er eine gewisse Anzahl Stunden nicht in der Lage sein wird, direkt von allem, was ich im Magen habe, zu konsumieren.

Kaffee beispielsweise. Pünktlich ab SSW 6 wurde mir davon kotzübel.

Und das blieb bei jeder meiner Schwangerschaften so, bis der Mitesser geboren war. Mit der Geburt verschwindet auch das Kaffee-Übelkeitsphänomen.

Überhaupt, während andere Gelüste habe, habe ich vor allem Aversionen. K2 beispielsweise löste eine extreme Abneigung gegenüber Früchte und Gemüse aus. Ich musste die Abteilung in Kaufhäusern grossräumig mit dem Einkaufswagen umfahren, ansonsten wäre die Übelkeit wohl allzu offensichtlich geworden. Aktuell kann ich auch nicht mehr richtig kochen. Poulet zerschneiden, um Nuggets daraus zu machen, geht nicht mehr. Der Filter, der das abstrakte Denken in Situationen übernimmt, die einen ekeln könnten, ist nicht einfach defekt. Er übersteuert. Essen sieht in dieser neuen Perspektive häufig gänzlich unappetitlich aus.

Ich leide. Denn ich liebe Essen.

Zudem ist mein Magen je nach Kindslage unterschiedlich gross. Was dazu führt, dass ich mich regelmässig überesse. Weil ein Babyfuss als Magenband fungiert, was mir aber erst bewusst wird, wenn der Bolus die Magensäure in die Speiseröhre drückt. Aber Gummibärchen, die müssen dann einfach noch Platz finden. Der Mitesser braucht sie und zwingt mich quasi dazu, sie zu schlucken.
Ich habe unendlich viele Kilo zugenommen. Und davon ist die Minderheit Mitesser und Fruchtwasser.

Ich esse, also geht es mir gut.

Das mein Unschwangerenmotto. Ziehe ich auch in schwangerem Zustand durch. Aber der einzige, dem es dabei gut zu gehen scheint, ist der Mitesser.
Und ich weiss, ist er erstmal draussen, wird er weiter mitessen. Etwas auf Distanz zwar. Aber immer noch so, dass nicht alles erlaubt ist, was mir schmeckt.

Die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten und vor allem selbstregulierten Lustempfinden ist jetzt, so kurz vor der Ziellinie, gross. Sehr gross.

Den ersten nachgeburtlichen Kaffee werde ich zelebrieren. Aber sowas von. Und damit auf den endlich nicht nur fühlbaren, sondern auch sichtbaren Mitesser anstossen. Wobei, der mag glaub’ ich lieber Bier. Denn seit wir gemeinsam unterwegs sind, mag ich Bier plötzlich auch – kommt wohl ganz nach dem Papa.

Bild: Vanessa Käser

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