Coronik – Zwüsche Nonid und Schonümm

Das neue Leben. So langsam kommt es an.

Und gut finde ich es nicht.

Nach dem ersten Gemeinschaftsschock, dem Lockdown, dem Überstehen der Krise, dem Erholen davon – falls das überhaupt je stattgefunden hat – sickert die neue Realität immer mehr durch.

Maskenpflicht. In manchen Kantonen schon länger. Jetzt auch bei uns.

Händeschütteln in Filmen fühlt sich fremd an. Überhaupt jegliche Aufnahmen von der Realität, wie sie vor einem Jahr noch war.

Ich bin in einem dieser futuristischen Science-Fiction-Movies gelandet, in denen ein Killervirus die ganze Menschheit bedroht. Mittendrin.

Ein schlechter Film.

Social Distancing hat sich in einen permanenten Zustand mit Fragezeichen verwandelt.

Darf ich die Person umarmen? Macht das Sinn oder nicht? Soll ich abmachen oder besser nicht? Ständig Entscheidungen treffen zu müssen, für die ich nicht kompetent bin, macht mich müde.

Egal wo ich bin, das Virus könnte ebenfalls da sein.

In der Luft, die ich atme. Auf den Dingen, die ich berühre. An den Personen, mit denen ich mich umgebe.

Nichts ist mehr per se neutral.

Jedes Ding hat eine bedrohliche Komponente erhalten.

Die Welt, egal, wie schlecht sie bereits vorher war. Jetzt ist sie’s offiziell. Sie könnte meine Gesundheit, mein Leben bedrohen. Oder das von Menschen, denen mein Herz gehört.

Plötzlich sehe ich mich mit Sorgen und Ängsten konfrontiert. Die sich wie dunkle Riesen vor und in mir auftürmen.

Ich möchte mein Leben zurück. Also die Mehrheit von dem, was vorher war. Das Unkomplizierte. Leichte.

Keine Meinungsmache. Keine nahestehenden Menschen, die Dinge sagen oder tun, mit denen ich nicht einverstanden bin. Wo unterschiedliche Haltungen einen Graben aufreissen, wo keiner sein müsste.

Maskenpflicht. Informationspflicht. Entscheidungspflicht.

Ich bin bedroht und verpflichtet gleichermassen.

Dummerweise habe ich auch noch ein Leben, um das ich mich zusätzlich kümmern muss. Kranke Kinder, Job, durchwachte Nächte, Essen besorgen, verarbeiten, Wäsche, Mann, Bildung, Garten, Staubsaugen, Staubwischen (haha, not), Telefonieren, Termine wahrnehmen.

Alles ganz normal. Alles wie zuvor. Alles muss laufen, funktionieren. Ich muss funktionieren.

Nur manchmal, wenn ich beispielsweise Auto fahre. Wenn ich Filme schaue, in denen Corona kein Thema ist. Wenn ich mir die Maske überstreife. Die Hände desinfiziere. Wenn ich Urlaubsbilder sehe. Dann überkommt es mich.

Nichts ist mehr normal. Alles ist anders. Und wie es sein wird, ist ungewiss.

Wie Patent Ochsner singt, fühle ich mich aktuell. «Zwüsche nonid und scho nümm».

Noch hoffe ich. Hoffe darauf, dass es ein Zurück in die Zukunft gibt.

Doch da ist auch der Gedanke: Vielleicht gibt es kein Zurück. Vielleicht gibt es kein Normal mehr, wie ich es kenne. Die Welt ändert sich. Die Zeit geht vorwärts. Ich fühle mich gedrängt, geschubst. Bin nicht bereit für das Neue.

Und ich stelle mir die Frage: Wer bin ich? Wie will ich sein? Gerade in einer solchen Situation. Wovon lasse ich meine Haltung bestimmen? Wer oder was hat das Recht, mich dort zu beeinflussen, wo das Glück zuhause ist? Mein Herz.

Viren können bekanntlich überall sein und überall hin. Aber der Ort, an dem ich sie nicht hineinlassen möchte, ist mein Herz. Das ist der allereinzigste Ort, an dem ich Türwächterin bin.

Egal, wie eng mein Leben wird. Die Freiheit, glücklich zu sein und mein Leben wenn möglich zu geniessen, will ich mir nicht nehmen lassen.

Ist nicht immer ganz einfach. Aber ich arbeite daran.

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