Coronik Woche VI: Null-Bock-Stimmung

«Mami, was machen wir heute?»

Mein bald 5 jähriger Sohn schaut mich erwartungsvoll an. Ich schaffe es knapp die Augen zu öffnen. Mein Blick wandert zur Uhr. Es ist noch nicht mal 07.15 Uhr.

Wie wäre es zuerst einmal mit «Guten Morgen?».

Der Morgen hat noch kaum begonnen und schon bin ich genervt.

Sohnemann ist bereits quickfidel, voller Tatendrang, bereit für den neuen Tag. Ein weiterer Tag Zuhause. Und auch nach Woche 6 – oder sind es bereits 7?! – im Lockdown, stellt er mir in aller Früh dieselbe Frage:

WAS MACHED MER HÜT??!

Ja, was nur machen wir heute?

Es ist erst wenige Wochen her, da hat diese Frage meine Nerven noch nicht so strapaziert. Als klar war, dass #stayhome unser neuer Alltag sein würde und ich den Kindern erklärte, dass wir nun eine Weile nur für uns sein würden. Ohne Gspändli. Ohne die geliebten Grosseltern. Da war ich irgendwie seltsam ruhig. Okay – zugegeben: Zuerst heulte ich vor dem fast leeren Migros-Regal, rief danach voller Hysterie meinen Mann an und heulte auch ihm die Ohren voll: «Ich weiss nicht wie ich das schaffen soll!» J

a, ich hatte wohl ein, zwei emotionale und angespannte Tage.

Doch nach dem ersten Anflug von Panik war ich erstaunlich gefasst.

Im Wissen, dass ich die Situation sowieso nicht ändern konnte, stellte ich mich der Herausforderung: Zuhause bleiben mit zwei lebhaften Buben. Und war plötzlich voller Tatendrang. Ich – wenn es um Basteln mit Kindern geht eine bekennende Bastelbanause – liess mich von jeder hippen Bastelanleitung begeistern, die auf Instagram kursierte. Ich stellte mir vor, wie wir eine Bastelidee nach der anderen umsetzen würden.

Vom Regenbogen an der Fensterscheibe, über hübsch angemalte Steine. Ich wollte Briefe schreiben, die Kinder malen lassen und mit unserer Post die Briefkästen von Freunden und Familienmitgliedern fluten.

Ich sammelte Back-Rezepte, nahm mir vor, mit den Kindern den Garten zu bepflanzen. Und das alles tat ich auch. Etwa zwei Wochen lang.

Wir bastelten, wir backten, wir schrieben Briefe. Dazwischen genossen wir Ausflüge in die Natur. Der Wald wurde unser neuer Lieblingsspielplatz.

Zwei Wochen lang brachte mich die Frage «Was machen wir heute?» nicht aus dem Konzept. Ich liess mich darauf ein. Schmiedete Pläne MIT den Kindern. Obwohl ihre Pläne nicht immer Begeisterung in mir auslösten: Ich machte mit.

So gehörte ein Unihockeymatch vor dem Haus bald zu unserem neuen Standard-Vormittagsprogramm. Danach eine Runde mit dem Velo durch unser Dorf. Und alle waren irgendwie zufrieden. Ich nahm mir Zeit für die Kinder. Zeit für Dinge, die ich sonst, im hektischen Alltag so selten tat: Einfach mal mit ihnen rumsitzen, rumalbern, in den Tag hineinleben. Ich wusste: der Haushalt hatte in den nächsten Wochen nicht Priorität.

Ich nahm mir auch fest vor, ein Auge mehr als sonst zuzudrücken. Schoggi zum Znüni? Warum nicht. Ab und zu ein Video auf dem Laptop schauen? Wenn`s die Stimmung hebt…

Ganz ehrlich: Wir erlebten sowas wie den Himmel auf Erden.

Neben den gemeinsamen Aktivitäten spielten meine Jungs so zufrieden miteinander, dass ich mich manchmal mit einer Tasse heissen Kaffee allein am  Esstisch wiederfand. Man stelle sich dies mal vor! Das gab es in meiner
bald fünf jährigen Karriere als Mutter noch nicht. Ich wurde ja so was von entschleunigt. Und es tat mir – und uns – sowas von gut.

Und dann kam sie. Mit voller Wucht: Die Null-Bock-Stimmung.

Ich weiss nicht genau, bei wem sie zuerst zuschlug, bei K1 oder bei mir. Spielt auch nicht wirklich eine Rolle. Fakt ist: Wir haben beide so ziemlich Null-Bock. Er hat keinen Bock zwischendurch auch mal alleine zu spielen. Ohne mich, nur mit seinem Bruder. Laaangweilig!!

Ich habe keinen Bock mehr die Alleinunterhalterin zu sein. Keinen Bock mehr auf UNO spielen.

Keinen Bock auf die täglichen Unihockeymatches – obwohl die meiner Fitness eigentlich ganz gut tun. Und vor allem habe ich keinen Bock mehr zu basteln. Der anfängliche Tatendrang hat sich in Luft aufgelöst. Stattdessen hat sich eine Antriebslosigkeit über mich gelegt, die so gar nicht zu mir passt. Und die mich einfach nur nervt.

Überhaupt nervt mich alles und jeder.

Die Streitereien zwischen den Kindern – warum können sie plötzlich nicht mehr fünf Minuten alleine spielen, ohne dass es im Geschrei endet?! FÜNF MINUTEN… Die Socken, die einfach mitten in der Wohnung am Boden liegen – sie nerven. Überhaupt habe ich das Gefühl, dass alles herumliegt und ich es nicht schaffe, halbwegs Ordnung ins Chaos zu bringen.

Chaos irgendwie bewältigen – darin bin ich normalerweise gar nicht so schlecht. Zurzeit habe ich aber nicht einmal dafür genügend Antrieb. Geschweige denn Zeit. Denn das Unihockeytraining ruft. Ich nerve mich über all diese kleinen und grossen Ecken in der Wohnung, die dringend aufgeräumt werden sollten.

Diese Ecken fallen mir jetzt, wo wir viel Zuhause sind, viel mehr auf. Ja sie drängen sich mir förmlich auf und schreien: RÄUM MICH AUF!!

Die Kleiderschränke der Kinder, die noch immer Winterpullis beherbergen. Die leeren Wände, die ich schon lange mit schönen Bildern schmücken will – die Bilder warten seit Monaten auf ihren Einsatz. Die adressierten Couverts, mit unseren Briefen für Freunde und Familie, die nur noch zur Post gebracht werden sollten.

Ich komme zu nichts von all dem. Und das nervt!

Und was mich ganz besonders nervt ist die Frage: WAS MACHEN WIR HEUTE?!

Denn: ICH WEISS ES NICHT! Wie wär`s mit #stayhome?!

PS: Vielleicht hat ein Frauen-Unihockeyteam nach Corona ja noch ein Plätzchen für mich? Ich wäre ready.

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3 Kommentare zu “Coronik Woche VI: Null-Bock-Stimmung

  1. Das könnte mein Tagebuch sein😂😂😂 Im genau gleichen chronologischen Ablauf.. 2 lebendige Jungs im gleichen Alter inklusive 😅💪🏻 🤪🙌🏻 mal sehen welche Stimmung noch Woche 7&8 bereit halten🥴 ich hoffe auf euphorische Übergangsphase😂

  2. Liebi Evelyne
    Danke für din ehrliche Text! Du bringsch au mis Gfühlsläbe vode letschtä zwei Täg voll uf de Punkt! Euse Gross isch zum Glück guet beschäftigt mitem Nachbarsmeitli, aber am Chline isch dadurch nume no langwilig.
    Und was mich am meiste närvt, was um alles ide Welt machi den i derä Ziit??? Ich het doch jetzt gnueg Ziit zum ebe alles ufrume und putze…
    Immerhin, euse Garte laht sich defür la gseh;-) Wünsche eu ganz vill Geduld und Chraft für di nächste Wuchene! Bis lieb umarmt<3

  3. Same here! 🙋‍♀️🤦‍♀️ habe auch zwei kleine jungs… nicht mal 5minuten ruhe, dass kenne ich auch..🤬
    mein rezept: trotzdem in den wald oder generell nach draussen gehen, obwohl ich und manchmal auch die jungs keinen bock mehr haben. weil drinnen bleiben hilft auch nicht… 😵
    ganz viel nerven und trotzdem lichtmomente wünsche ich uns allen!

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