Bitte keine Überraschungen! Tipps für Familien und Freunde von Nahrungsmittelallergikern

Leuchtend rot entzündete, nässende Bäckchen, später dann geschwollene Lippen, Atemnot und Übelkeit bis hin zu Erbrechen. Ein Anblick, den kein Mamaherz so leicht erträgt. Und all das wegen des Essens. Wegen der falschen Nahrungsmittel. Eltern von Kindern mit Nahrungsmittelallergie sind gefordert. Wir mussten nicht nur unsere familiären Ernährungsgewohnheiten umkrempeln, ich erkläre seither auch immer wieder, warum mein Kind keine Schokoladenhasen oder Weihnachtsguetzli essen darf – auch nicht, wenn sie laktosefrei sind.

Weil ich als Allergiker-Mama die Gefühle zwischen Mut machen und Mut verlieren nur zu gut kenne, habe ich ein paar Tipps aus meinem Erfahrungsschatz geschöpft.

Nicht nur für direkt Betroffene, die sich eben erst mit dem Thema befassen müssen, insbesondere auch für Freunde und Bekannte von Nahrungsmittelallergikern.

Es braucht Zeit, bis der Umgang mit Nahrungsmittelallergien so normal wie möglich wird und beim Essen vor allem der Genuss und das Beisammensein im Zentrum steht.
(Siehe auch “Mein Kind hat eine Lebensmittelallergie – Wenn Essen zum Risiko wird” und “Mein Kind ist anders: Hochallergisch”)

Tipps für Familien mit Nahrungsmittelallergikern:

Unterstützung in Anspruch nehmen.

Fragt euren Allergologen/eure Allergologin nach Unterstützungsangeboten und nutzt die Möglichkeit einer Ernährungsberatung. Versucht eine Ärztin/einen Arzt zu finden, bei dem ihr euch ernst genommen und gut aufgehoben fühlt.

Fragen stellen.

Nicht alle Ärzte und Ärztinnen haben die Kapazität sich gleichermassen zu engagieren. Oft tut man gut daran, selber weiter zu recherchieren, sich zu informieren und entsprechende Möglichkeiten dann mit der Ärztin/dem Arzt zu besprechen.

Dran bleiben.

“Das kann eigentlich nicht sein”, ist ein Satz, den wir des Öfteren gehört haben. Bis der geäusserte Verdacht sich dann doch bestätigte. Ihr kennt euer Kind am besten. Wenn euch etwas verdächtig vorkommt, fragt nach und bleibt am Ball.

Den Fokus auf die Möglichkeiten setzen.

Einfacher gesagt als getan. Ab sofort auf bestimmte Nahrungsmittel(gruppen) zu verzichten, mag im ersten Augenblick überfordern. Es hilft, sich konkret vor Augen zu führen, welche Nahrungsmittel noch gehen – das sind meistens immer noch eine ganze Menge. (Rezepte dazu findet ihr auf himbeergelb.ch)

Pragmatisch bleiben.

Eine Allergie-Diagnose ist eine Belastung und es ist verständlich, dass insbesondere die Betroffenen deswegen manchmal wütend oder traurig sind. Auch diese Gefühle sollen Platz haben, aber sie sollen nicht dominieren. Uns geht es besser, wenn wir die Situation so annehmen, wie sie ist und das Beste daraus machen.

Austausch suchen.

Sucht euch andere Betroffene zum Austausch. Es hilft ungemein, wenn man weiss, dass andere mit denselben Herausforderungen konfrontiert sind. Nicht nur für die Kinder, auch für die Eltern. Anlaufstellen sind unter anderem die Selbsthilfe Schweiz und das aha! Allergiezentrum Schweiz. Auch ich freue mich immer über Zuschriften.

Betreuungspersonen umfassend informieren.

Es ist ungemein wichtig, dass Betreuungspersonen wissen, wie sie im Fall einer allergischen Reaktion handeln müssen. Ein Notfallset mit Medikamenten und einem Notfallplan sollte (je nach Schwere der Allergie) immer beim Kind sein. Wir haben ein weiteres Notfallset bei der Klassenlehrperson deponiert.

Es gibt auch spezielle Schulungen für Angehörige/Betreuungspersonen von Betroffenen mit Anaphylaxie-Risiko. (Bei einer Anaphylaxie reagiert das Immunsystem auf mehreren Ebenen und es droht ein Kreislaufkollaps.)

Pausen einlegen.

Allergien machen natürlich keine Pausen. Allerdings ist die permanente Beschäftigung damit ermüdend und belastend. Die Allergien sollten wenn möglich nicht immer das familiäre Hauptthema sein. Wenn sich die neue Situation etwas eingespielt hat, wird auch das einfacher. Sucht euch gemeinsame Beschäftigungen die ablenken und euch gut tun.

Tipps für Freunde von Nahrungsmittelallergikern:

Allergien ernst nehmen.

Es ist selten einfach “ein bisschen Juckreiz” oder “etwas Bauchschmerzen”. Bei einer Allergie läuft das Immunsystem aus dem Ruder, was sehr schwerwiegende Folgen haben kann. Nahrungsmittelallergiker:innen müssen die entsprechenden Allergene komplett meiden, oft auch nur geringste Spuren. Jede allergische Reaktion ist eine Entzündungsreaktion des Körpers und per se belastend.

Ps. Eine (Laktose-)Intoleranz ist nicht dasselbe wie eine (Milch-)Allergie!

Nachfragen.

Wenn ihr einen Allergiker zu Gast habt, fragt vorgängig nach, wenn ihr plant, etwas zu Essen oder zu Trinken anzubieten. Wir bringen gerne immer etwas Geeignetes mit, sind aber auch froh, wenn trotzdem keine Rahmglacé angeboten wird, besonders wenn andere (kleine) Kinder mitessen.

Sicher gehen.

Ein besonderer Tipp auch für Grosseltern und Betreuungspersonen von kleinen Kindern. Unser Sohn war immer sehr vorsichtig und hätte nie etwas ohne unser Einverständnis gegessen. Aber nicht jedes Kind handelt so vorsichtig, besonders nicht, wenn es noch sehr klein ist. Es ist absolut notwendig, mit den Eltern genau abzuklären, was ihr einem allergischen Kind anbietet. Selbst wir lesen noch immer die Inhaltsangaben, denn da kann sich auch mal etwas ändern.

Keine Überraschungen.

Auch wenn sie noch so nett gemeint sind, bitte keine Überraschungen für Allergiker:innen zubereiten. Ausser ihr seid euch im Detail bewusst, auf was ihr bei der Zubereitung alles achten müsst. Es gibt Spuren von Allergenen, die sich über die Luft verbreiten, oder an Schneidebrettern haften bleiben. Auch ein Maiskolben vom Grillrost, auf dem vorher ein Fisch oder eine Bratwurst brutzelte, geht je nachdem nicht mehr.

Verständnis aufbringen.

Eltern von Allergikern scheinen manchmal übertrieben pingelig. Allerdings mussten viele von ihnen bereits erfahren, was es bedeutet, wenn das allergische Kind mit einer Tischplatte in Berührung kommt, auf der gerade allergener Zvieri gegessen wurde. Seid nachsichtig mit Eltern eines Allergikerkindes, die super angespannt scheinen, wenn sie mit Argusaugen beobachten, wie andere Kinder mit einem Rahmglacé auf die Rutschbahn gehen. Wir müssen immer aufpassen. Immer.

 

Bild: Kelsey Curtis

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