Feiertage vorbereiten heisst mindestens einen Monat Aufwand. Nach ungefähr drei Tagen ist die ganze Herrlichkeit vorbei. Wir Mütter legen uns ins Zeug. Wir geben uns unglaublich viel Mühe, es unseren Lieben schön zu machen. Wir können einfach nicht anders. Wir schaffen es nicht. Ich jedenfalls nicht. Darum die Bilanz.
Ich wünsche mir jedes Jahr, dass alles klappt, und nichts, einfach NICHTS schiefgeht.
Es geht aber immer etwas schief. IMMER.
Es ist zum Schreien. Weihnachten könnte man daher auch Schreinachten nennen.
Der erste Dämpfer war, dass meine Tochter offenbarte, dass sie über Weihnachten in Australien sein wird. Okay, für einen guten Zweck. Aber dennoch.
Dann fand ich ewig kein Wichtelgeschenk. Ich musste meins für meinen Mann besorgen. Ich fand heraus, dass er sich eine Mütze wünschte. Die Mütze, die auf seinen Kopf passen würde, die ist aber noch nicht gestrickt. Etliche Läden abgeklopft und alles was ich fand, war langweilige Durchschnittsware, Made in China. Vermutlich wird er das Ding, das ich notgedrungen heimbrachte, nie tragen. Es vergrössert seinen Kopf so, dass er Shrek ähnlich sieht.
Ein paar Tage vor Weihnachten beendigte die Kaffeemaschine nach über 30’000 Tassen Kaffee ihr Dienstverhältnis mit uns.
Erst am Tag vor Heilig Abend konnte die neue Maschine abgeholt werden, genau dann, wenn es überall grausam viel Verkehr hat.
Und ich wollte weisse Weihnachten haben, das ist so schön romantisch. Aber daraus wurde nichts. Es war zu mild.
Der bestellte Schnee wurde also nicht geliefert.
Ach, und der geplante Nachtisch für neun Personen. Eine Torte mit einem Baiserboden, gefüllt mit Vanille- und Erdbeereis, dekoriert mit Schokosternen und ziemlich teuer. Wir stellten sie in den kalten Wintergarten und ich dachte nicht mehr daran, dass sie aus Eis und das Wetter mild war.
Am Morgen von Heilig Abend floss die Torte durch die undichten Fugen des Wintergartens über die frisch verputzte Hausmauer und bildete vor der Garage eine klebrige Pfütze.
Wir, die wir gegen Sonntagshopping sind, checkten ab, ob unser Bäcker an Heilig Abend geöffnet hat. Kurz vor Ladenschluss gab es Ersatz. Kostete erneut ein Schweinegeld. Den Rest der geschmolzenen Torte legte ich in den Tiefkühler, in der Hoffnung, dass er noch geniessbar ist und mir darüber hinweg hilft, wenn ich die Tage mal deprimiert bin und keine Lust aufs Kochen haben werde.
Da war auch noch die Sache mit dem Wein. Mein Schwager hatte ein paar Tage vorher einige Flaschen Rotwein gebracht, fürs gemeinsame Fest. Seinen Wein hatte ich aber komplett vergessen und wir öffneten anderen Wein.
Mein lieber Schwager blieb tapfer und meinte, es spiele keine Rolle.
Natürlich spielte es eine Rolle. Er tat mir leid und mich nervte meine Vergesslichkeit.
Es gab auch einen Gast, der sich nicht von mir verabschiedete. Er mochte die zehn Minuten nicht warten, bis ich meine Enkelin im Bett hatte, die bei uns übernachten durfte. Zurück bei den andern, war er weg. Ich hatte einem Menschen Familienanschluss geboten und er ging einfach, ohne mir Tschüss zu sagen. Das traf mich irgendwie.
Meine Tochter ging nicht ans Telefon. Der australische Telefonanbieter blockierte mich.
Ich hätte ihr doch so gerne frohe Weihnachten gewünscht und ihre Stimme gehört. Sie fehlte mir. Und ich sorgte mich.
Dann vergassen wir Eltern, mit der Familie zu beten und sie zu segnen. Das traf mich auch, aber als es mir einfiel, war keiner mehr da.
Mir kam auch in den Sinn, dass ich auch die Wichtellose für Weihnachten 2018 vergessen hatte zu verteilen, damit man das Jahr über genug Zeit haben wird, ein Geschenk zu besorgen.
Beim Abwasch zerbrach eines meiner Lieblingsweingläser, ich hatte wieder zu viel eingekauft, überall lag zerknülltes Weihnachtspapier herum, der Weihnachtsbaum hatte den gleichen Schmuck wie die letzten zehn Jahre getragen, die Uroma war draussen in Katzenkatze getreten und ich hatte zu viel gegessen.
Hatte denn eigentlich auch etwas geklappt?
Jaaaaaaaaaaaaaaa!
Ja, die Bilanz kann sich eigentlich doch sehen lassen.
Die Idee mit dem kleinen Aperitif vor dem Weihnachtsgottesdienst war nämlich prima gewesen. Leicht angeheitert fuhren wir zur Kirche zum feierlichen Gottesdienst. Die Tischdekoration, das traditionelle Menü und der gewaltige Hefezopf kamen gut an. Die Enkelin mochte die Weihnachtsgeschichte. Die im Singen ungeübte Familie wollte sogar zwei Lieder singen, und obwohl ich das ganze Jahr nie geübt hatte, machte ich auf der Blockflöte nur drei Fehler. Uroma sagte ein komplexes Gedicht auf, und in meiner selbst geschriebenen Weihnachtsgeschichte fand sich nur noch ein einziger Schreibfehler. Das Wichtelgeschenk meiner Schwiegertochter für mich gefiel mir sehr.
Niemand war besoffen.
Der Baum flog nicht wie auch schon durch die Wohnung, es gab keine Wachsflecken auf Möbeln, Teppichen und Vorhängen und das Tännlein ging nicht in Flammen auf. Die Katzenkacke hatten wir entdeckt, bevor Uroma das Haus betreten hatte, und niemand hatte den Unfall mit der Torte mitbekommen. Geborgenheit, Dankbarkeit, Zufriedenheit und Freude waren spürbar. Und eins wurde mir so richtig klar – wir haben uns alle lieb. Piep.
Das also war unser Weihnachtsfest gewesen. Einfach schön.
Und (fast) perfekt.
Bild: Uroš Jovičić | Unsplash
Redaktionsassistentin, Autorin, Mutter von drei erwachsenen Kindern und Oma einer Schulkind-Prinzessin und eines süssen kleinen Enkels. Schamgefühle sind nach so einer Mutter-Karriere wie der ihren kein grosses Thema mehr. Sie hat nicht immer Recht. Aber sie liegt selten falsch.